Bilder: Sony Pictures, A24 Fotos: Sony Pictures, A24
  • Bewertung

    Ein Whodunit für die Tik-Tok-Gesellschaft

    Exklusiv für Uncut
    Unter Krimi-Fans herrscht seit geraumer Zeit Grund zur Freude: die Murder-Mystery ist in den Mainstream zurückgekehrt. Eine Entwicklung, die sich in Literatur, den TV-/Streaming-Welten und allen voran im Kino unlängst abgezeichnet hat. Wer Lust auf Verfilmungen klassischer Agatha-Christie-Romane hatte, konnte auf die beiden Neuinterpretationen von Kenneth Branagh zurückgreifen. Wer sich hingegen eher mit Rian Johnsons pfiffiger Mixtur aus altmodischen Whodunnit-Elementen und zeitgemäßer Haudrauf-Satire anfreunden konnte, war mit „Knives Out“ und dem kürzlich veröffentlichten „Glass Onion“ bestens bedient. Independent-Gigant A24 veröffentlichte vor wenigen Monaten ganz still und heimlich ebenfalls einen Vertreter dieses Genres, wenngleich auch noch eine Spur weitergedacht. Mit „Bodies Bodies Bodies“ entledigt sich Halina Reijn jeglichen Anachronismen der Murder-Mystery und verpasst dem Genre einen ganzheitlichen, hypermodernen Neuanstrich – samt Spurenelementen eines schonungslosen Teenie-Slashers.

    Im Zentrum des Films steht eine Fete unter Superreichen, die eine blutreiche Wendung nehmen sollte. Der cholerische David (Pete Davidson) lädt seine engsten Freunde aufs Anwesen seiner wohlhabenden Eltern ein, um eine Hurrikan-Party zu veranstalten. Unter den Gästen befinden sich u.a.: die quirlige Podcasterin Alice (Rachel Sennott), die zynisch veranlagte Jordan (Myha’la Herrold) und die vergleichsweise geerdet wirkende Sophie (Amandla Stenberg). Letztere hat ihre neue Freundin Bee (Maria Bakalova) im Schlepptau, die als einzige in der Truppe tatsächlich der Arbeiterklasse entspringt. Alle Partygäste sind da, Zeit für ein kleines Spielchen: vorgeschlagen wird „Bodies Bodies Bodies“ (vergleichbar mit „Werwolf“), ein Gesellschaftsspiel, bei dem mit jeder neuen Runde ein ‚Mörder‘ bestimmt werden muss, der seinem ‚Opfer‘ bei abgeschaltetem Licht auf die Schulter tippen muss. Als das Licht aber wieder angeht, liegt vor der Truppe plötzlich ein echter lebloser Körper. Und so viel darf verraten werden: es würde nicht der einzige sein.

    In gewohnter Whodunnit-Manier steigt das Misstrauen zwischen den Partygästen mit jeder weiteren Minute ins Unermessliche. Wer könnte den Mord begangen haben? Wer ist als nächstes dran? Doch anstatt diesen Fragen im klassischen Stile nachzugehen, lässt Regisseurin Reijn ihre Akteur*innen mittels urkomischer Wortgefechte aufeinander losgehen. Es kommt zu einer Art Superklassenkampf zwischen versnobten Abziehbildern einer Überflussgesellschaft. Gewisse Subkulturen und scheinheilige Umgangsformen der Generation Z (zu der sich der Autor dieser Kritik ebenfalls zugehörig fühlt) bekommen unausweichlich ihr Fett weg. All die Vorbehalte, Vorwürfe und Streitereien untereinander gipfeln in einem feurigen Inferno der satirischen Dialogkunst, das gleichermaßen unterhält und bis zur letzten Sekunde das clever pointierte Mysterium aufrecht erhält. Letztlich ist es aber die hochtalentierte Darstellerriege, die die eitlen Wortklaubereien in großes Kino verwandeln. Zu den Standouts gehören „Borat 2“-Star Maria Bakalova als wohl einzige Sympathieträgerin in dieser illustren Runde, die vor Energie nur so sprudelnde Amandla Stenberg und als absolutes komödiantisches Highlight: Rachel Sennott als narzisstische Influencerin ohne Fähigkeit zur Selbstreflexion. Ein spezielles Lob gebührt zudem Pete Davidson, dem Ex-SNL-Komiker und -Partner zahlreicher IT-Girls Hollywoods, der sein öffentliches Image hier indirekt durch den Kakao zieht. Unterm Strich bietet „Bodies Bodies Bodies“ trotz vereinzelter Längen kurzweiligen, spannenden und superb gespielten Mörderspaß in kontemporärer Verpackung. All das im Glanz funkelnder Neon-Halsketten. #YOLO…oder so.
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    (Christian Pogatetz)
    12.01.2023
    18:36 Uhr