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    All Around the Multiverse

    Exklusiv für Uncut
    Everything. Everywhere. All At Once. Der übersteigerte Titel lässt bereits vermuten, in welche Richtung sich der neueste Streich der Daniels (Dan Kwan, Daniel Scheinert) entwickeln soll: absolut wahnsinnig, absolut mitreißend! Nach dem Überraschungserfolg „Swiss Army Man“ kehrt das Regie-Duo nun mit dem nächsten Quotenschlager zurück und widmet sich dieses Mal dem Multiversum – Chaos ist also vorprogrammiert.

    Evelyn (Michelle Yeoh) und Waymond Wang (Ke Huy Quan) immigrierten als junge Eheleute aus China in die USA. Hier besitzen sie einen Waschsalon, der nun von der Steuerbehörde unter Aufsicht der Finanzbeamtin Deirdre Beaubeirdra (Jamie Lee Curtis) überprüft wird. Am selben Tag muss Evelyn das chinesische Neujahrfest, dass sie jedes Jahr im Waschsalon veranstaltet, ausrichten. Dann kommt auch noch Evelyns Vater (James Hong) aus China zu Besuch, Tochter Joy (Stephanie Hsu) weiß nicht, wie sie ihre feste Freundin Becky der Familie vorstellen soll und Waymond will plötzlich die Scheidung. Und als wäre das alles nicht schon Aufregung genug, wird Evelyn auf dem Weg zur Steuerbehörde auch noch mit unzähligen Paralleluniversen konfrontiert.

    Die Etablierung eines Multiversums scheint nicht zuletzt auch dank dessen Einzug in das Marvel-Universum zurzeit äußerst beliebt an den Kinokassen zu sein. Was jenes in „Everything Everywhere All At Once“ aber so besonders macht, ist die Kausalitätskette an Entscheidungen, die ein dichtes Netz aus Möglichkeiten an Parallelwelten entstehen lässt – und deren besondere Fähigkeiten man in den jeweils anderen Welten abrufen kann, indem man eine äußerst absurde Tätigkeit ausführt. Im Fall von Evelyn stellt sich schnell heraus: sie führt anscheinend die schlechteste Version ihres Lebens, hat augenscheinlich immer wieder falsche Entscheidungen getroffen, die sie zu ihrem jetzigen Selbst machten. Oder vielleicht doch nicht?

    Sehr unterhaltsam und durchdacht wird in „Everything Everywhere All At Once“ mit der Idee der Parallelwelten gespielt, egal ob Evelyn hier mal zum gefeierten Filmstar wird, mal Martial Arts Fähigkeiten besitzt oder mal in einer Hot-Dog-Finger-Realität landet. Und einmal gibt’s sogar eine gewitzte Hommage an den Pixar-Hit „Ratatouille“ obendrauf. Der Humor fällt zwar zugegebenermaßen an mancher Stelle etwas flach aus und der letzte Akt weist dann auch schon seine Längen auf, insgesamt sprüht das Drehbuch aber vor allem vor cleveren Ideen.

    Dass das Ganze so gut funktioniert, ist auch dem tollen Cast zu verdanken: allen voran Michelle Yeoh, die einmal mehr beweist, warum sie zu den renommiertesten Schauspielerinnen Asiens gehört. Unterstützung erhält sie von einem äußerst sympathischen Ke Huy Quan (Short aus „Indiana Jones und der Tempel des Todes“!), einer schlagfertigen Stephanie Hsu und einer wahnsinnig witzigen Jamie Lee Curtis, die die Bedeutung einer Finanzprüfung auf neue Ebenen manövriert.


    Mit „Everything Everywhere All At Once“ erhält man eine Weltenreise der besonderen Art. Im tiefen Kern anrührendes Familiendrama, verpackt als bombastische Actionkomödie und mit der nötigen Prise Humor verfällt man schnell dem charmanten Chaos, den googly eyes und dem puren Wahnsinn, der von dem Film ausgeht. Das macht ihn eigentlich jetzt schon zum Kulthit. Und den sollte man sich keinesfalls im Kino entgehen lassen!