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  • Bewertung

    Rechts, rechter, Flügel

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2022
    Drei Männer stehen im Mittelpunkt des Dokumentarfilms „Eine deutsche Partei“ von Simon Brückner. Sie alle verbindet ihr Parteibuch der AfD. Sie engagieren sich auf Bundes-, Länder-, bzw. Kommunalebene für die Partei und wurden über zwei Jahre hinweg, zwischen 2019 und 2021 vom Regisseur und seinem kleinen Team begleitet. Die Aufnahmen dokumentieren die politische Alltagsarbeit in Sitzungen und Ausschüssen in ungewohntem Detailreichtum, aber auch Wahlkämpfe, Parteitage und Ausflüge sind im Film zu sehen.

    Vom Filmemacher werden keine Fragen gestellt und auch sonst werden die Bilder bis auf einige den Film einleitende Zeilen nicht kommentiert. Soweit wird das Anliegen Brückners, einen Film zu machen, der für sich selbst spricht klar. Der Preis dieses Vorgehens ist allerdings, dass die Aussagen und das Verhalten der im Film gezeigten Politiker normalisiert werden und keine Einordnung stattfindet.

    So kritisiert etwa Georg Pazderski vor der Kamera immer wieder den sogenannten Flügel, der von den extremsten Figuren der Partei um Höcke, Kalbitz und Co ins Leben gerufen wurde. Dass Pazderski selbst (wie auch manch anderer Protagonist des Films) immer wieder mit üblen, rassistischen Aussagen aufgefallen ist, bleibt außen vor. Der Nachwuchspolitiker Aaron Kimmig erinnert in seinem Auftreten an den jüngst wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen Sebastian Kurz. Frank-Christian Hansel fällt vor allem mit geschmacklosen Scherzen auf, die ihm einen gestrigen Altherrenhumor attestieren.

    „Eine deutsche Partei“ zeichnet so streckenweise ein Bild einer zwar rechten, aber auch irgendwie vertrottelten Truppe, von der keine große Gefahr ausgeht. Wie die Protagonisten sich wohl in Abwesenheit der Kamera verhalten, muss man sich als Zuschauer selbst zusammenreimen. Selbstredend ist das nichts Ungewöhnliches für einen Dokumentarfilm. Aber diese Entscheidung mag bei einem so unmittelbar unser Leben und unsere politische Realität betreffenden Thema größere Auswirkungen haben als bei anderen.

    Natürlich verrät der Film auch vieles mittels der Selbstinszenierung seiner Protagonisten. Man kann davon ausgehen, dass er im Kontext seiner Premiere auf der Berlinale von den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern reflektiert und kritisch betrachtet und eingeordnet werden kann. Doch stellt sich unweigerlich die Frage, was ein filmisch weniger geschultes Publikum aus diesem Film mitnimmt.

    Die Ästhetik der Bilder ist kontrastreich, Perspektiven und Ausschnitte sorgsam gewählt, gut komponiert und oft schlichtweg schön. Zu schön vielleicht für einen Film dessen Gegenstand eine Partei ist, die von Demagogie und rechtspopulistischer Selbstinszenierung lebt. Es ist eine – gerade angesichts des herrschenden Zeitgeists – interessante Frage, die „Eine deutsche Partei“ aufwirft: Wie neutral darf oder sollte die Kunst sich hochpolitischen Themen gegenüber verhalten? Ist es vertretbar, auf eine Haltung zu verzichten, um Material zu generieren, welches sich unter anderen Umständen nicht gewinnen ließe?
    (Felix Geiser)
    03.04.2022
    18:11 Uhr