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  • Bewertung

    Blinde Rache

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2022
    Wenige andere lebende Regisseure haben das Horrorgenre so geprägt wie Dario Argento. Der italienische Großmeister des Giallo-Films drehte einst bedeutende Genre-Meisterwerke wie „Profondo rosso“ (1975), „Suspiria“ (1977) oder „Phenomena“ (1985). Argentos Einfluss auf das Horrorkino ist unverkennbar. Nach zehnjähriger Regiepause kehrt der heute 81-Jährige endlich wieder zum Film zurück. Der 2012 erschienene „Dracula 3D“ galt noch als Schandfleck im sonst so großen Œuvre Argentos. Sein neuestes Werk mit dem Titel „Dark Glasses“ (Originaltitel: „Occhiali Neri“) basiert auf einem Drehbuch, das lange als verschollen galt, aber erst im letzten Jahr von Darios nicht unbekannter Tochter Asia (die in seinem neuen Film eine kleine Rolle übernommen hat) wiedergefunden wurde. Doch ist der Film für den Maestro wirklich eine Rückkehr zu alter Form? Es wäre wohl gelogen, so weit zu gehen. Weshalb Argentos Alterswerk dennoch einen Blick wert ist, erfährt Ihr im folgenden Text.

    Zunächst aber: worum geht es denn überhaupt?
    Im sommerlichen Rom treibt ein Serienkiller sein Unwesen und hat es auf Sexarbeiterinnen abgesehen. Escortdame Diana (Ilena Pastorelli) soll das nächste Opfer werden und wird von dem Psychopathen in einem weißen Van verfolgt. Sie kann dem Mörder noch gerade so entkommen, baut jedoch eines Autounfall, bei dem sie ihr Augenlicht verliert. Ein chinesisches Ehepaar verstirbt in Folge des verheerenden Unfalls und hinterlässt einen jungen Sohn (Andrea Chang). Der Neo-Waise befreundet sich mit der nun blinden Sexworkerin und will ihr dabei helfen, dem Killer das Handwerk zu legen. Dieser treibt sich nämlich immer noch in der italienischen Hauptstadt herum und möchte sein verpasstes Opfer doch noch zur Strecke bringen.

    Argentos neuer Ausflug ins Horrorfach ist voll mit käsigen Dialogen, monotonem Schauspiel und Momenten, die zuweilen einen fast schon amateurhaften Eindruck machen. Doch gerade darin liegt oft der Charme des Films, ist dem Genre doch eine gewisse Kauzigkeit inhärent. Hyperstilisierte Genre-Versatzstücke, ein ohrenbetäubender Synthscore und viel nackte Haut: einige Elemente lassen einen an die Glanzzeiten Argentos zurückerinnern und gehen auch wunderbar auf. Wer sich jedoch komplexere Plots und die Abhandlung tiefergehende Themen erhofft, wird enttäuscht zurückgelassen. „Ochhiali Neri“ ist ein simpler, geradliniger Giallo, der Spaß macht, aber den Hunger nach dem vollwertigen Horrormahl nicht komplett stillen wird. Einem Großmeister wie Dario Argento sei es aber vergönnt, sich auf seine alten Tage auf seinen Lorbeeren auszuruhen und in einfacher Nostalgie zu schwelgen. Ein solides Spätwerk!
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    (Christian Pogatetz)
    18.02.2022
    22:37 Uhr