Filmkritik zu Peter von Kant

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    „Jeder tötet, was er liebt“

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2022
    François Ozon hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Themen sexueller Natur auseinandergesetzt, noch nie jedoch so experimentell wie in seinem neuesten Film. Mit „Peter von Kant“ wagt sich der gefeierte französische Regisseur an eine lose Adaption des Bühnenstücks „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“. Dieses wurde 1971 von niemand Geringerem als dem deutschen Großmeister Rainer Werner Fassbinder geschrieben. Das Enfant Terrible verfilmte seinen eigenen Stoff nur ein Jahr später auch selbst. In Ozons Verfilmung werden die Geschlechter der Geschichte nun vertauscht.

    Aus der Modedesignerin Petra wird der Filmemacher Peter von Kant. Peter (Denis Ménochet) verweilt mit seinem wortkargen doch sehr hörigen Assistenten Karl (Stefan Crepon) in einem geräumigen Haus in Köln. Der Regisseur verliert oftmals die Fassung, doch erfährt für seine Filmkunst reichlich Wertschätzung. Sein Leben nimmt eine Wende, als ihm seine frühere Schauspielmuse Sidonie (Isabelle Adjani) den 23-jährigen Amir Ben-Salem (Khahil Ben Gharbia) vorstellt. Der Regisseur verliebt sich in den bildhübschen jungen Mann und macht ihn zum berühmten Filmstar. Doch als dieser Peters Liebe nicht mehr erwidert, fällt der emotional instabile Filmemacher in ein tiefes Loch, aus dem er kaum mehr zu entkommen scheint.

    Fassbinders Originaltext war trotz des ausschließlich weiblichen Figurenkabinetts in vielerlei Hinsicht autobiographisch. Mit der Entscheidung, das Geschlecht der Hauptfigur und vieler anderer Charaktere zu ändern, treibt Ozon in seiner Neuinterpretation den autobiographischen Aspekt des Stoffes auf die Spitze. Peter von Kant wird als dicklicher, triebgesteuerter und manischer Künstler mit destruktivem Lebensstil dargestellt. Parallelen zum 1982 verstorbenen Rainer Werner Fassbinder sind gewiss kein Zufall. Auch die innige Beziehung, die von Kant im Film zu einem Jungschauspieler nicht-deutscher Herkunft pflegt, erinnert stark an Fassbinders Liebeleien mit Darstellern wie Günther Kaufman und El Hedi ben Salem. Auch in seiner pittoresken Farbgebung orientiert sich Ozons Film an der Ästhetik des deutschen Enfant terrible.

    Als Ganzes funktioniert die französischsprachige Neuinterpretation des Fassbinder-Stücks doch nicht so richtig. Zu ziellos und inhaltsleer erscheint das in mehrere Kapitel gegliederte Drama, das mit einigen humoristischen Pointen garniert wurde, in vielen Momenten. Wie Ozon, der mit Filmen wie „Swimming Pool“, „8 Wochen“ oder „Im Namen Gottes“ zum französischen Kritikerliebling aufstieg, in der Pressekonferenz kundtat, entstand der Film wohl lediglich als Nebenprodukt der Pandemie. Schauspielerisch weiß der Film jedoch zu beeindrucken. Denis Ménochet („Inglourious Basterds“, „Im Namen Gottes“) spielt den von jeglicher Selbstbeherrschung entfesselten Peter von Kant mit großer Glaubwürdigkeit. Einprägsam bleibt eine dynamisch in Szene gesetzte Tanzszene, in der Peters Verwundbarkeit besonders durchscheint.

    Am Ende bleibt François Ozons „Peter von Kant“ trotz ehrenwerter Ambitionen leider zu belanglos, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Doch allein für seine formalästhetischen und schauspielerischen Qualitäten ist der Film auf jeden Fall einen Blick wert.
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    (Christian Pogatetz)
    10.02.2022
    23:59 Uhr