Filmkritik zu Drown

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  • Bewertung

    Was geschah im Motel?

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    Ein Motel, mitten im Nirgendwo. Ein See, der als Friedhof tausender koreanischer Kriegsopfer dient. Menschen, die plötzlich verschwinden. Die Prämisse, die Lim Sang-Sus Thriller „Drown“ zugrunde liegt, lässt bereits auf die vielen Geheimnisse schließen, die die Handlung des Films umgeben sollen. Im Zuge des IFFR 2022 feierte der südkoreanische Mystery-Film seine Online-Premiere.

    Dowoo (Lee Joong-ok) lebt gemeinsam mit seiner dementen Mutter zurückgezogen im familieninternen Motel. Der Alltag ist geprägt von Langeweile und ständig wechselnden Gästen, die das Motel vor allem als Zufluchtsort für Affären oder Selbstmorde nutzen. Dowoos Tristesse wird jedoch jäh unterbrochen, als ihm die Polizei einen Besuch abstattet, auf der Suche nach einer verschwundenen Frau. Als wenig später dann auch nicht Dowoos Mutter verschwindet, scheinen die seltsamen Geschehnisse im Motel Überhand zu nehmen.

    „Drown“ ist ein sehr inhomogener Film. Einer, der es meisterlich versteht, eine beunruhigende Atmosphäre aufzubauen, und das gleich von Beginn an. Wenngleich der Ursprung des Übels nicht immer greifbar ist, scheint die Bedrohung, die in der Luft liegt, stets spürbar. Es ist aber auch ein Film, dessen langsame Erzählweise gegen die auf Spannung setzenden Thrillerelemente kontrastiert. Mit der Zeit findet sich dann zwar ein passabler narrativer Rhythmus, gerade das Editing stellt sich aber doch immer wieder als recht chaotisch heraus. Die Spannung, die durch die atmosphärische Dichte aufgebaut wird, kann sich deshalb nicht durchwegs halten. Gerade das Ende kommt dann auch nochmal verhaltener daher, als man sich wahrscheinlich erhofft hat.

    Als nervenaufreibender Thriller funktioniert „Drown“ zwar nur bedingt, die Elemente eines sozialen Dramas, welche ebenso zu finden sind, sind aber durchaus reizvoll. Der Protagonist als zurückhaltender Junggeselle bzw. seine Interaktionen mit den Vertreter*innen der Dorfgemeinschaft liefern einen interessanten Einblick in die Psyche eines einsamen Mannes. Dass das auch gelingt, ist vor allem Lee Joong-oks feinfühlige Darstellung zu verdanken, die zwar auf Zurückhaltung und Reserviertheit basiert, deshalb aber nicht minder eindrucksvoll ist. Er vermittelt außerdem eine gewisse Zweischneidigkeit: äußerlich wirkt sein Dowoo gefasst, innerlich brodelt es jedoch gewaltig.

    Als Charakterstudie funktioniert „Drown“ also recht gut, für einen durchwegs überzeugenden Thriller wirft der Film dann aber doch zu viele Fragen auf, die teilweise nie beantwortet werden. Erfrischend sind so manch unkonventionelle Ideen, die aber auch zu verhalten eingesetzt werden. Und ein etwas bitterer Nachgeschmack bleibt: das Potential von „Drown“ wurde jedenfalls nie vollends ausgeschöpft. Aus dem interessanten Szenario und Setting hätte man weitaus mehr machen können, gerade weil der Film durch seine Atmosphäre und seinen Hauptdarsteller glänzt. So ist es ein typischer Film für Zwischendurch geworden, den man aber wahrscheinlich auch schnell wieder vergisst.