Filmkritik zu Cha Cha Real Smooth

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    Verloren im Leben

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    Nach seinem Überraschungshit „Shithouse“, der 2020 mit dem Jurypreis des South by Southwest Festivals (SXSW) ausgezeichnet wurde, widmet sich Nachwuchsregisseur Cooper Raiff, auch in seinem zweiten Werk „Cha Cha Real Smooth“ einer Coming-of-Age-Story. Erneut schlüpft der Filmemacher, der vor einigen Jahren von Indie-Urgestein Jay Duplass entdeckt und gefördert wurde, selbst in die Rolle des Protagonisten, an seine Seite begeben sich dabei Dakota Johnson und Leslie Mann. Für den eingängigen Soundtrack wurde Este Haim von der Band Haim engagiert, Hauptdarstellerin Johnson ist am Film darüber hinaus als Produzentin beteiligt.

    Andrew hat zwar gerade sein Studium abgeschlossen, doch er könnte nicht mehr verloren sein. Während seine Freundin wegen eines Stipendiums nach Barcelona geht, zieht er wieder bei seiner Mutter, seinem 10 Jahre jüngeren Bruder und dem verhassten Stiefvater ein und muss sich mit einem schlechtbezahlten Servicejob im lokalen Einkaufszentrum zufriedengeben. Nachdem er seinen Bruder auf eine Bar Mizwa begleitet und dort für ordentlich Stimmung sorgt, beginnt er zusätzlich als Partykoordinator zu arbeiten, was ihm deutlich mehr Spaß macht. Im Zuge der Feierlichkeiten lernt er die junge Mutter Domino und ihre autistische Tochter Lola kennen, mit denen er sich auf Anhieb versteht. Andrew ist sofort Feuer und Flamme für die sprunghafte Domino, doch diese gibt ihm gemischte Signale, ob sie auch mehr von ihm möchte und ist noch dazu verlobt. Das Gefühlschaos scheint perfekt.

    Eines vorweg, der Film ist definitiv ein heißer Kandidat für den Publikumspreis sowie die Auszeichnung in der Wettbewerbskategorie „US Dramatic Competition“ am Sundance, wenn man erste Reaktionen betrachtet, auch für mich zählt „Cha Cha Real Smooth“ zu meinen bisherigen Festivalhighlights.

    In seiner dreifachen Rolle als Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller liegt ihm (eigenen Aussagen zu Folge) die Schauspielerei zwar am wenigsten, in seiner Rolle als Sunnyboy Andrew macht er seine Unerfahrenheit aber mit Herz und Authentizität wett. Obwohl der 24-Jährige deutliche Parallelen zu seiner Figur aufweist, beteuerte Raiff im anschließenden Publikumsgespräch, dass der Charakter nicht auf seinen persönlichen Erlebnissen beruht, sondern viel mehr aus einem inneren Gefühl heraus entstanden sei. Gemeinsam mit der begnadeten Dakota Johnson (übrigens am Sundance gleich zweimal vertreten) verkörpert er die Faszination am jeweils anderen, als würden die beiden einander ihr Leben lang kennen. Während Raiffs Rolle Andrew als hoffnungsloser Idealist und Romantiker den absoluten Sympathieträger der Geschichte darstellt, (obwohl sein Optimismus beizeiten durchaus ins Anstrengende umschlägt) so ist es vor allem Dakota Johnson, die mit Zurückhaltung und einer wohltuenden Vulnerabilität, ihrer Figur Domino eine besondere Tiefe gibt. Eine großartige Neuentdeckung ist außerdem die 16-Jährige Nachwuchsdarstellerin Vanessa Burghardt, die wie ihr Filmpendant auch im wahren Leben am autistischen Spektrum liegt.

    Eine erfrischende Rom-Com, die über seichte Liebschaften hinweggeht und die intrinsische Motivation ihrer Charaktere beleuchtet, die beide auf andere Weise auf der Suche nach sich selbst sind. Von Regisseur Cooper Raiff wird man in Zukunft bestimmt noch viel hören und sehen!
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    (Julia Pogatetz)
    25.01.2022
    14:51 Uhr