Exklusiv für Uncut
Sie zählt zu den aufregendsten Actionreihen des Blockbuster-Zeitalters. Basierend auf der 60er/70er-Fernsehserie „Kobra, übernehmen Sie“, wälzt die „Mission: Impossible“-Reihe seit 1996 durch die Kinowelt. Entscheidende Vorteile gegenüber anderen Franchises: Wechselnde Regisseure mit individueller Ästhetik, innovatives Storytelling und…Tom Cruise. Vor der Linse steht mit ihm der letzte große Filmstar, dessen riesiges, staub-blutiges Antlitz nicht nur die weltweite Plakatkampagne des neuesten Projekts ziert. Er macht sogar die PR-Arbeit missionarisch selbst: ob auf dem Dach des BFI IMAX Theatre in London, im freien Fall aus Helikoptern oder in Tik-Tok-Interviews. Wir erleben eine gigantische Werbeoffensive – so wie es sich für einen Ultimate-Blockbuster gehört. Cruise lebt und atmet diese für ihn heilige Filmreihe, er verkörpert Ethan Hunt im wahrsten Wortsinn, wenn er todessüchtig die Stunts selbst durchführt. Auch die Themen der MI-Reihe waren häufig den Realnachrichten voraus. Im ersten Teil kollidierte der Agentenprotagonist mit Big-Data und Identitätsdiebstahl, im zweiten rettet er die Welt vor einer Viren-Pandemie und der sechste Streifen endet in Kaschmir, das zuletzt im kriegerischen Austausch zwischen Indien und Pakistan stand. Jetzt ist der (vorläufig) letzte Akt abgedreht: Kann „The Final Reckoning“ die hohen Erwartungen stemmen? Den Ansprüchen genügen - an plötzliche Plot-Twists, reale Stunts und immersive Action? Die 7,5 Minuten Standing Ovations bei den Filmfestspielen von Cannes stimmen zuversichtlich, sind jedoch trügerisch…
Der Cast versammelt jedenfalls fast alle vertrauten Gesichter. Hayley Atwell als Grace, Ving Rhames als Luther (übrigens neben Cruise als einziger Actor in allen acht Filmen), Simon Pegg als Bengi, Henry Czerny aus dem ersten Film taucht wieder auf, ebenso: Angela Bassett, Vanessa Kirby, Pom Klementieff und Esai Morales als Antagonist Gabriel – eine erstklassige Besetzung, die unter den Dialogen leidet. Ein Problem: „The Final Reckoning“ ist die zweite Hälfte eines Zweiteilers, was einer unnötigen Aufblähung á la „Der Hobbit“ oder „Harry Potter 7.1/7.2“ gleichkommt. Regisseur Christopher McQuarrie, der das serielle Erzählen mit seiner vierten Regiearbeit endgültig ins MI-Franchise holt, rechtfertigte die Zweiteilung mit dem Wunsch, jeder Figur einen eigenen Handlungsbogen zu geben. Ob ein plötzlicher Filmtod dafür ausreicht, ist fraglich. Auch mangelt es an charismatischem Teamwork, Charakterentwicklung oder Menschlichkeit. Die Figur Ethan Hunt ist isoliert, das einst charmante Zusammenspiel aus dem Ensemble fehlt. Emotionale Tiefe? Bestenfalls angedeutet, selten spürbar.
Ein weiteres Problem: Die MI-Reihe hatte stets einen guten Riecher für Phänomene unserer Zeit – bis jetzt. Jetzt kopiert sie Krypto-Bösewichte, deren futuristische Kuriosität bereits schwache James-Bond-Streifen prägte. Die Entität, ein digitaler Supergegner, ist immer noch da und strebt nach blinder Weltvernichtung. Gemeinsam mit dem ominösen Kreuzschlüssel aus „Dead Reckoning“ bildet sie ein überdimensioniertes MacGuffin, einen inhaltsleeren Gegner, einen charakterloser Kontrahenten. Diese Kritik zeigt sich auch strukturell, schließlich ist die erste Stunde ein chaotisches Durcheinander. Stellenweise wissen weder Crew noch Filmfiguren, worum es geht, wenn immer wieder jemand nach einem neuen „Plan“ fragt oder MCU-Talking Heads mit Erklärungen und Horoskop-Sprüchen um sich werfen. Unterbrochen wird das Ganze durch unzählige, referenzielle Rückblenden, stark bemühte Wiedersehen mit Teil-1-Figuren und Teil-3-Artefakten. Dazu das Wirrwarr aus sprunghaften Ortswechseln, Chaos-Theorie, Kausalität, quasi-religiösen Erleuchtungen und politischen Kammerspielen.
Mit der zweiten Filmhälfte verschärft sich die Bedrohung des nuklearen Armageddon, nimmt das Drama Fahrt auf. Und mit ihr kommen die ganz großen Settings, die gigantischen Stunts, auf die alle gewartet haben. Ja, dieser Streifen ist ein Plädoyer für das Kino, ein laut Produktionsnotizen „Liebesbrief, der die Grenzen des auf dem Bildschirm Möglichen ausreizt.“ Und das hebt ihn definitiv ab von den meisten Blockbustern heutiger Zeiten. Mit einem geschätzten Budget von 400 Mio. USD ist „The Final Reckoning“ einer der teuersten Filme aller Zeiten, es ist ein extrem kostenintensives Spektakel. Das Gute daran: man sieht das Budget, man sieht die Produktionsaufwände. Im Vergleich zu aktuell teuren Missgriffen wie „The Electric State“ oder „Snow White“ eine positive Nebennotiz. Zwei zentrale Actionsequenzen ragen heraus. Die eine im Fahrwasser bedrückender Unterwasser-Wrack-Dokus, die andere ist ein waghalsiges Flugmanöver an zwei Doppeldeckern. Wir sehen Cruise leiden, atmen, ertrinken, erfrieren – und dennoch geht ihm dieses Mal im Körperkino die Puste aus, wenn eine eintönige, erschlagende Trägheit diese Gigantomanie begleitet. Zur Wahrheit gehört: diese Sequenzen sind phasenweise zäh. Gerade unter Wasser sind Bewegungen langsam. Atemberaubende Schauwerte treffen auf erzählerische Atemnot. Außerdem: Die Schauplätze und Szenarien, so spektakulär sie inszeniert sind, wirken unrealistisch – nicht im Sinne von Überhöhung, sondern im Sinne narrativer Beliebigkeit. Suspense und coole Gadgets, einst Markenzeichen der Reihe, sind nur noch Zitate.
Fazit: „The Final Reckoning“ ist … unbefriedigend bis enttäuschend, technisch brillant, aber erzählerisch entzaubert! Wo „Rogue Nation“ und „Fallout“ noch leichtfüßig mit Eleganz und Real-Action überzeugten, lähmt den letzten Teil der Agentenreihe eine pathetische Schwere. Von Witz und Unbeschwertheit in Ethan Hunts Team ist wenig geblieben. Stattdessen wird Tom Cruise auf sich allein gestellt – in pompösen, langwierigen Stunt-Sequenzen, die ihn vom U-Boot im arktischen Eismeer bis zum Doppeldecker in luftigen Höhen führen. Das Paradoxe: gerade diese hyperrealistischen Bilder wirken durch das absurde Storytelling seltsam entrückt. So weit entfernt von glaubwürdiger Realität wie nie zuvor in diesem einst so attraktiven Franchise. Und zwischen den zugegeben atemberaubenden Schauwerten? Entbehrliche Set-Up-Zeiten für den nächsten „Plan“ und konstruierte Fanservice-Referenzen. Am Ende möchte „The Final Reckoning“ versöhnliches Überwältigungskino epischen Ausmaßes sein, fühlt sich aber an wie eine überlange, knapp 3-stündige, sperrig-schwerfällige Reportage über Tom Cruise in Extremsituationen. Man sieht zwar alles – spürt aber wenig.