Bilder: Sony Pictures Fotos: Sony Pictures
  • Bewertung

    Everything, everywhere, all arachnid

    Exklusiv für Uncut
    Mit „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ bringt Sony die perfekte Fortsetzung zum Überraschungshit von 2018. Verrückter, kreativer, emotionaler - der „ultimative Spider-Man“.

    Ein Jahr ist vergangen, seit Miles Morales das erste Mal mit dem Multiversum konfrontiert wurde. Als frisch gebackener „Spider-Man“ lebt es sich nicht leicht zwischen Alltagsproblemen und Verbrecherjagd. In seinem Kopf dominiert die Sehnsucht nach Gwen, die er seit den Vorfällen damals nie wieder gesehen hat. Dann taucht die aber plötzlich in seinem Zimmer auf und alles scheint wieder von vorne los zu gehen. Allerdings ist die Bedrohung diesmal um einiges größer…

    Getreu den Titeln, nahm uns Teil 1 das erste Mal mit INS Spider-Verse, Teil 2 geht wieder einen Schritt weiter und streift mit uns DURCH die unendlichen Möglichkeiten der Paralleluniversen. Erneut also ein Film, der das Konzept „Multiversum“ interessanter ausspielt, als einer mit dem tatsächlichen Begriff in seinem Titel. Und erneut ein Beispiel wie guter Fan-Service funktionieren kann, wenn er nicht im Vordergrund steht. Damit wirkt der Film für mich wie der, der „No Way Home“ gerne wäre. Die zahlreichen Referenzen lassen vermutlich jedes Kennerherz höher schlagen, für mich als Nicht-Comicleser sorgen sie einfach für eine gehörige Portion Humor. Ob Punk, Roboter oder Dinosaurier, nahezu jede Version eines Spider-Mans, die man sich vorstellen kann sie ist hier vertreten. Wer etwas erkennt, wird sich freuen, wer nicht, dem entgeht auch nichts.

    Aber auch für den Otto Normal Zuschauer hält der Film einige Überraschungen bereit. Ein spätes Embargo vor Veröffentlichung ist ja meist ein schlechtes Zeichen, ich kann da beruhigen, das dient in diesem Fall wirklich nur dazu all die eventuellen Spoiler unter Verschluss zu halten, worum die Mitautoren und -produzenten Phil Lord und Chris Miller in einem Einspieler zu Beginn auch explizit bitten. Ich kann mich dem Aufruf nur anschließen: Bitte versaut es den anderen nicht!

    Die Gags zünden dazu auch in einem Tempo, dass man schwer hinterher kommt. Wie eine Spidey-Version im Film selbst sagt, „wir sollen ja lustig sein“. Ein gewisser Witz und Schlagfertigkeit haben den Charakter immer ausgemacht. Und trotzdem steckt eine extreme Schwere in der Geschichte, mit dem Fokus auf den Charakteren. Was besonders beeindruckt ist, wie sie es geschafft haben Miles und Gwen beide als Hauptfiguren auszubalancieren. Das Drama berührt, und dazwischen knallt jede Menge verrückte Action. Den Titel für meine Kritik hab ich demnach nicht zufällig ausgewählt, denn tonal hat er mich stark an jenen diesjährig ausgezeichneten Besten Film erinnert.

    Selten hat ein Film so sehr verstanden (und gleichzeitig hinterfragt), was den Spinnenmann eigentlich ausmacht. Man denke nur an den Satz mit der Verantwortung (den ich hier nicht wiederholen muss). Wie soll man denn mit all den Superkräften noch eine unbeschwerte Jugend erleben, Verbrecher jagen aber den schulischen und häuslichen Pflichten nachkommen? Immer den Wunsch das Richtige zu tun, doch was ist das überhaupt? In der Raimi-Trilogie, kam das meiste zwar gut rüber, leider fiel es mir immer schwer Tobey Maguire als Teenager ernst zu nehmen (aber fürs Protokoll ich bin ein großer Fan seines Spider-Mans). Ähnliches gilt für die Andrew Garfield Ära. Tom Holland war zwar vom Alter her näher dran, ihm schien aber stets (vermutlich auch aufgrund seiner Stark Technologie) alles viel zu leicht von der Hand zu gehen. Hier konnten sie nun auch das Teenager-Dasein mit all seinen Problemen glaubhaft rüberbringen, und Miles für mich zu DER Spidey-Version schlechthin machen.

    Spider-Man ist ja auch bekannt für seine illustre Runde von Bösewichten. Die namhaftesten verkommen hier lediglich zu Cameoauftritten und auf den ersten Blick haben sie sich vielleicht den langweiligsten ausgesucht. „The Spot“ wird sogar relativ unscheinbar eingeführt, entwickelt sich aber sehr schnell zu einem erinnerungswürdigen, vielschichtigen und bedrohlichen Widersacher.

    Der Animationsstil ist wie im Vorgänger sehr ansprechend, und trotzdem hat man das Gefühl, dass sie irgendwie noch einen drauf gesetzt haben. Gewisse Einstellungen wirken wie direkt aus einem Comic gegriffen, mitsamt allen Details. Auch der Einsatz des Soundtracks passt sehr harmonisch dazu, vor allem der großartige Prolog hat fast etwas musikvideohaftes.

    In dieser Flut an Eindrücken könnte man sich leicht verlieren, es bewegt sich schon an der Grenze zu „zuviel“. Mit 140 Minuten ist es auch der längste Animationsfilm aller Zeiten, aber die vergehen wie im Flug. Mir war zwar vorher bewusst, dass es sich um die Hälfte einer Geschichte handelt (der nun als „Beyond the Spider-Verse“ titulierte dritte Teil, trug ja ursprünglich den Namen „Across the Spider-Verse: Part 2“). Doch das Cliffhanger Ende kommt dann so plötzlich, weil man gar nicht mitbekommen hat, dass gerade über 2 Stunden vergangen sind. Ich kann kaum erwarten, wenn es schließlich weiter geht.

    Seit Jahren schreien ja Fans danach, die Spider-Man Rechte doch bitte an Marvel Studios zu retournieren. Ich kann nur sagen, wenn so etwas dabei rauskommt, sollen sie ruhig für immer bei Sony bleiben.
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    (Markus Toth)
    31.05.2023
    17:32 Uhr