Filmkritik zu Tina

Bilder: Polyfilm, HBO Films Fotos: Polyfilm, HBO Films
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    What's Love Got to Do With It?

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2021
    Rock-Ikone Tina Turner gilt gemeinhin als eine der größten und einflussreichsten Künstlerinnen der Musikgeschichte. Die Regisseure Dan Lindsay und T.J. Martin setzen der Ausnahmemusikerin mit der Doku „Tina“ nun ein filmisches Denkmal. Die in fünf Teile untergliederte Musikdokumentation beleuchtet sämtliche Lebens- und Karrierestationen der heute 81-jährigen Künstlerin.

    Die eigentlich als Anna Mae Bullock geborene „Queen of Rock’n’Roll“ konnte bereits in Teenager-Jahren als Mitglied der R’n’B-Gruppe „Kings of Rhythm“ erste Bühnenerfahrungen sammeln. Weltweite Bekanntheit erlangte die Musikerin dann in den frühen Sechzigern als Frontfrau des Soul- und R&B-Duos Ike & Tina Turner. Ihr Künstlername wurde ihr von ihrem ehemaligen Bandkollegen und Ehemann Ike Turner verpasst, dem später im Scheidungsprozess alle Rechte an den gemeinsamen Songs überlassen wurden. Über Jahre wurde Tina von ihrem gewalttätigen Ex-Mann unter Druck kontrolliert und manipuliert. Als sie sich Mitte der 70er-Jahre von Ike trennte und schrittweise Emanzipation erlangte, musste sie sich ihre musikalische Karriere vollkommen neu aufbauen. Und siehe da: das Ausnahmetalent, das lange Zeit im Schatten ihres missbrauchenden Ex-Mannes stand, konnte sich ein neues Image als Rockröhre mit rauchiger Stimme und wilder Mähne aufbauen und gehört heute nicht umsonst zu den Legenden der modernen Musikgeschichte. Die Doku lässt Tina ihre traumatische Lebensgeschichte aus gegenwärtiger Sicht selbst nacherzählen und gibt ihr die Stimme zurück, die ihr nach der damaligen Trennungsphase von Seiten der Medien lange verwehrt blieb oder just belächelt wurde.

    Die für HBO produzierte Doku leidet zwar ein wenig an einer etwas zu klassischen und geradlinigen Struktur, weiß aber allein durch das betörende Archivmaterial mitzureißen. Regisseure Lindsay und Martin geben in den 118 Minuten Laufzeit einen umfassenden Überblick über die einzigartige Karrieregeschichte der Rock-Ikone. Vordergründig wird stets die gewalttätige Ehe zwischen Tina und Ike Turner thematisiert, jedoch keineswegs aus einem ausbeuterischen Blickwinkel heraus. Mithilfe der Entscheidung, die Musikdoku aus Tinas eigener Perspektive erzählen zu lassen, gewinnt die Doku einiges an Glaubwürdigkeit und roher Emotion. In Interviews lässt man Freund*innen und Wegbegleiter*innen wie Talkshow-Größe Oprah Winfrey oder Schauspielerin Angela Bassett, die Turner Anfang der Neunziger Jahre in einer Oscar-nominierten Musik-Biografie verkörperte, zu Wort kommen.

    Wer sich mit dem Leben und Leid der Ausnahmekünstlerin auseinandergesetzt hat, wird in „Tina“ wenige neue Facetten der Rockerin kennenlernen. Nichtsdestotrotz handelt es sich hier um eine spannend aufbereitete und ehrlich erzählte Musik-Dokumentation, die das Publikum allein mit der Verwendung originaler Konzertaufnahmen in den Bann ziehen sollte. Tina’s simply the best!
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    (Christian Pogatetz)
    07.03.2021
    11:38 Uhr