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    Seelenlose Maschine oder zärtlicher Beziehungsersatz?

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2021
    In der Geschichte des Kinos gab es schon mehrere Filme, die sich damit beschäftigten, ob vorprogrammierte Roboter je menschliche Beziehungspartner ersetzen könnten. Zum Teil nahm sich Ridley Scott dieser Frage bereits 1982 in seinem prägenden Sci-Fi-Meisterwerk „Blade Runner“ an. Spike Jonze trieb es mit seiner 2013 erschienen und vielfach ausgezeichneten Bizarro-Romanze „Her“, in der er einen schnauzbärtigen Joaquin Phoenix in die künstliche Intelligenz seines Betriebssystems verlieben ließ, dann endgültig auf die Spitze. In unserer zunehmend vernetzten und digitalisierten Welt, die nicht selten mit logischen Begleiterscheinungen wie Depression und Einsamkeit einhergeht, gewinnt dieses Thema immer mehr an Relevanz. Der deutschen Filmemacherin Maria Schrader, die 2016 für ihr Historiendrama „Vor der Morgenröte“ hohes Kritikerlob erntete und erst letztes Jahr für ihre Arbeit an der weltweit erfolgreichen Netflix-Miniserie „Unorthodox“ mit einem prestigeträchtigen Emmy ausgezeichnet wurde, liegt diese Frage wohl auch sehr am Herzen. In ihrem neuesten Spielfilm „Ich bin dein Mensch“, der lose auf der gleichnamigen Kurgeschichte von Emma Braslavsky basiert, erzählt Schrader eine ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Mensch und Maschine.

    Im Berlin einer nicht allzu fernen Zukunft lässt sich die alleinstehende Wissenschaftlerin Alma (Maren Eggert), die im renommierten Pergamonmuseum arbeitet, für potentielle Forschungsgelder zu einem waghalsigen Experiment hinreißen. Drei Wochen soll sie mit einem auf die eigenen Bedürfnisse angepassten Liebesroboter zusammenwohnen und abschließend ein Protokoll verfassen, das zur Entscheidung dient, ob denn Maschinen wie diese überhaupt in Deutschland zugelassen sein sollten. Eigentlich hat Alma so gar keinen Bock darauf und als sie Tom (Dan Stevens), den ihr zugewiesenen humanoiden Roboter, erstmals kennenlernt, scheint sich ihre Befürchtung zu bestätigen. Sie fühlt sich von den vorprogrammierten romantischen Sprüchen schnell genervt und bleibt anfangs lediglich des Geldes wegen am Sozialexperiment dran. Mit der Zeit findet die einsame Frau jedoch Gefallen an den zärtlichen Seiten des Androiden, der sich als weit lernfähiger herausstellt, als anfangs gedacht.

    Maria Schrader ist hier ein äußerst sympathischer Film gelungen, der gewitzt mit klassischen Rom-Com-Klischees spielt und eine feine Linie zwischen Tragik und Komik zeichnet. So wechselt der Film oft binnen kürzester Zeit von absurd-überzeichneter Comedy zu nahbarem Drama. In der ersten Hälfte lebt die Tragikomödie noch von den herrlich absurden Momenten, die ein gemeinsamer Alltag mit einer wandelnden Datenbank in Menschengestalt wohl zur Folge hat. Besonders witzig sind die Szenen, in denen Tom in menschliche Konversationen verwickelt wird, und sein unbeholfenes Verhalten in kindlich-naiven Charme resultiert. Je weiter der Film jedoch voranschreitet und je mehr Tom durch seine Beobachtungen dazulernt, desto ernstere Töne werden angeschlagen. Der Stoff würde wahrscheinlich nur halb so gut funktionieren, wären da nicht die zwei wundervollen Hauptdarsteller*innen. Maren Eggert legt Alma in ihrer Darstellung angenehm unaufgeregt und bodenständig an. Der Brite Dan Stevens, der bereits mit mehreren Hollywood-Auftritten begeistern konnte („The Guest“, „Die Schöne und das Biest“, „Eurovision“), brilliert hingegen mit glaubhaft starrer Robo-Miene, großem Slapstick-Gespür und erstaunlich guten Deutschkenntnissen. Das harmonische Spiel der beiden verleiht dem Film in seinen zärtlichsten Momenten ein spürbares Gefühl von Sehnsucht und Liebe.

    Im Kern wirft das Drehbuch von Schrader und Co-Autor Jan Schomburg auch einige philosophische Fragen auf. Was macht uns überhaupt erst zu Menschen? Können menschliche Eigenschaften und Gelüste künstlich nachgeahmt werden? Wie tief ist der Graben zwischen Mensch und Maschine? Kann persönliches Glück überhaupt vorprogrammiert werden?

    „Eine falsche Bewegung, ein falscher Blick, ein unbedachtes Wort, und schon ist die ganze Romantik dahin.“ - heißt es gleich zu Beginn als Tom Alma erstmals vorgestellt wird.
    Auch wenn sich die Protagonistin gegen Ende ihre eigenen Antworten auf diese Fragen zusammenreimt (oder etwa nicht?), bleibt dem Publikum die Entscheidungsfreiheit bewusst selbst überlassen.

    Bei all den Stärken kann man gar so manch käsigen Dialog gern übersehen und aushalten. Maria Schraders erst dritte Spielfilm-Arbeit entpuppt sich nämlich als wunderbar bizarre und ungeahnt bewegende Sci-Fi-Romanze mit tragikomischen Untertönen. Mehr davon aus Deutschland bitte!
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    (Christian Pogatetz)
    02.03.2021
    10:39 Uhr