Bilder: Warner Bros Fotos: Warner Bros
  • Bewertung

    The Darkest Knight

    Exklusiv für Uncut
    Mit der neuesten Verfilmung des maskierten, einsamen, dunklen Ritters wagt sich „The Batman“ auf polarisierendes Terrain. Für die einen überschreitet das Werk die Grenze des zumutbaren, realistischen Comic-Kinos. Für andere bietet er eine längst überfällige Verschiebung vom spektakulären Batman-Actionkino zu einem seelischen Psychogramm im Kontext eines Kriminalfilms, bei dem es selbstredend nicht an Action mangelt, diese aber in neuem Licht (oder eher in neuer Dunkelheit) dargestellt wird. Sehen wir uns den neuen Batman genauer an und beginnen wir kurz bei der Handlung.

    Ein Serienkiller treibt sein Unwesen in Gotham City. Nach dem brutalen Mord am Bürgermeister werden Batman und die lokale Polizei mit einer Schnitzeljagd konfrontiert, in der jeder nächste Schritt der falsche sein könnte. Auf der langsam erzählten Suche nach dem Mörder und dem Sinn der Batman-Maskerade entfaltet sich im Hintergrund die Story über mentale Probleme und korrumpierte (männliche) Politiker und Staatsanwälte.

    Der Cast kann sich sehen lassen. Paul Dano, sehr wertgeschätzt ob seiner starken Rollen in „There Will Be Blood“ und „Little Miss Sunshine“, spielt die interessante Figur des durchgeknallten Riddler mit einer Aura, die es (und das klingt blasphemischer als es ist) mit dem Joker aus „The Dark Knight“ aufnehmen kann. Jeffrey Wright, der als Felix Leiter in den Craig-Bond-Filmen bereits Erfahrung als Gesetzeshüter hat, ist der gewissenhafte Lieutenant Gordon (man behält sich die Entwicklung zum Commissioner für die kommenden Filme vor). Colin Farrell (gut versteckt als Pinguin), Andy Serkis, John Turturro und Peter Sarsgaard runden die beeindruckende Besetzung ab. Das Highlight der Nebenfiguren, wenn nicht gar des ganzen Films ist aber Zoë Kravitz, die Selina Kyle alias Catwoman porträtiert und sie elegant und zugleich janusköpfig-doppeldeutig spielt. Ihre Sinnlichkeit und Zerbrechlichkeit, ihr Stolz und ihre Anmut beleben den Film mit einer raren Menschlichkeit, die sich sogar in einer romantischen Annäherung zum Titelhelden zeigt. Nicht zuletzt sorgt Robert Pattinson für einen neuen Anstrich des verwaisten Bruce Wayne. Schon in „Der Leuchtturm“ zeigte Pattinson eine beachtliche Leistung in einer wahnwitzigen Rolle. Mit „The Batman“ etabliert er sich endgültig im seriösen Blockbusterkino und emanzipiert sich erfolgreich vom Damoklesschwert des Twilight-Teenie-Märchens. Seine depressive, gebrochene Interpretation, für die laut Regisseur Reeves der im April 1994 verstorbene Grunge-Sänger Kurt Cobain als optisches Vorbild fungierte, gibt der Batman-Figur eine verletzliche Seite, die kein bisheriger Darsteller finden konnte. Als äußerst angenehm erweist sich in diesem Film der Einblick in die frühe Phase von Batmans Feldzug, ohne zum wiederholten Male den Beginn der Batman-Saga zu erleben; seit zwei Jahren bereits schwingt die Fledermaus in „The Batman“ ihre Flügel.

    Dabei hilft natürlich die ausgezeichnete Inszenierung von Matt Reeves, der den ursprünglich eingeplanten Ben Affleck vom Regiestuhl verdrängte und den Film zusätzlich koproduzierte und außerdem am Drehbuch mitwirkte. Inszenatorisch wird der in der Dark-Knight-Trilogie von Christopher Nolan einsetzende Realismus fortgeführt. Derart authentisch haben wir die personifizierte Selbstjustiz noch nie erlebt: mit schwarzem Augen-Make-Up bei heruntergenommener Maske, ohne extrem gestählt-durchtrainierten Oberkörper und mit einer zerrissenen Verletzlichkeit, die sehr an den aktuellen Joker erinnert. Bat-Bruce stülpt im Filmverlauf sein Inneres nach außen, wir hören einen tagebuchähnlichen inneren Monolog, als wären wir Sigmund Freud und Batman offenbart sich in einer Psychoanalyse-Einheit. Dass er seinen Reichtum nicht derart glorifiziert wie früher, dass der heroische Glanz der Selbstjustiz Risse bekommt, wenn Batman exzessiv auf seine Gegner einschlägt, sind erfrischende Änderungen des seriellen Batman-Mythos, dem eine Dekonstruktion ähnlich zu der der Nolan-Filme widerfährt. Reeves führt uns in ein korruptes, nasses, gewalttätiges Gotham City, in dem es jede Nacht regnet und scheinbar nie die Sonne scheint. Die Zimmer und Tagebücher sind akribisch ausgestaltet, das Batmobil sieht mehr nach wildgewordenem Tuning-Gefährt als nach Panzer der Nolan-Trilogie aus. Die Schwerpunkte sind merklich verschoben. Die verdichtete Atmosphäre hebt sich von den farbenfrohen gängigen Comic-Verfilmungen ab und sorgt für ein spannendes Setting. Szenenbild, Charaktere und Kamera sind aufeinander abgestimmt. Greig Fraser, frisch oscarnominiert für seine überwältigende Arbeit in „Dune“, manövriert die Kamera und entwickelt eine besondere Visualität. Nicht nur bei den Gewaltszenen gibt es ästhetisierte Unschärfen; Fraser hat gar ein neues Objektiv entwickelt, bei dem die Ränder sichtbar unscharf sind. Häufige Close-Ups transportieren den intimen psychologisierenden Einblick in die Figuren. Die wohl dosierten Action-Szenen werden nicht unrhythmisch schnell geschnitten, sondern in Gänze, beständig und unaufgeregt ausgeführt, die Autoverfolgungsjagden durch kreative Einstellungen aufgewertet. Charmant begleitet der klassisch-minimalistische Score die Streifzüge des Batman.

    Auf der Handlungsebene wird uns kein spektakulärer, technikaffiner Blockbuster geboten. Reeves hat sich an den eher detektivischen Batman-Comics wie „Year One“ orientiert und zeigt uns in bester David-Fincher-Manier einen Kriminalfilm, der es mit Klassikern des genannten Regisseurs „Sieben“ oder „Zodiac“ aufnehmen kann. Nach Aussagen der Besetzung soll Reeves in den Dreharbeiten ähnlich perfektionistisch agiert haben wie Fincher oder Kubrick. Auch „Blade Runner“, „Chinatown“ oder „Taxi Driver“ werden als Inspiration genannt. Allerdings verzettelt sich der Plot zunehmend in Kleinigkeiten und Logiklöchern, der visuelle Stil übertrumpft die Substanz des Drehbuches, welches sich zum Ende vereinzelt in Küchenpsychologie flüchtet. Die systemischen Motive des Riddler werden nicht vollends ausgearbeitet, die neoliberalen Ursachen der modernen Misere nur angedeutet: patrilineare Erbschaftsprivilegien und sozioökonomische Ungleichheiten. Es erfolgt die bekannte Reduktion auf die persönlich-psychologische Ebene, die leider nur im Batman-Kontext Neues schafft, aber das Kino auf der Handlungsebene nicht revolutioniert.

    Fazit: Innovativ, minimalistisch, lebensnah, melancholisch, radikal authentisch – dieser Batman bildet einen Kontrapunkt in der Batman-Filmgeschichte. Insbesondere handwerklich ist der Film über alle Zweifel erhaben und visuell herausragend, die Action-Sequenzen einzigartig. Ein stylisher und stiller Batman, der dunkelste aller Ritter, der eine ambivalente innere und äußere Wucht aufbringt und uns seinen inneren Abgrund zeigt. Bisweilen erdrückt und bedrückt das Krimi-Action-Thriller-Epos jedoch mit imposanten 177 Minuten Laufzeit, die für eine gezieltere Ausarbeitung der Motive und eine stringentere Handlung hätten genutzt werden können. Dieser Film ist keine Offenbarung, aber ein starkes Stück Kinogeschichte, das den sehr gelungenen Auftakt einer neuen Trilogie bildet.
    bfotok_a43f9b4a6b.jpg
    (André Masannek)
    11.03.2022
    08:15 Uhr
    Meinen Philosophie-Podcast cogitamus findet ihr überall, wo es Podcasts gibt. Tune in and recommend!
    https://podcasts.apple.com/at/podcast/cogitamus/id1560167073
    Meine Top-Filme: