Filmkritik zu Shorta

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    „Das hier, das ist nicht Dänemark.“

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    „Shorta ist eine arabische Bezeichnung für die Polizei“ Mit dieser Erklärung, die auf den Titel verweist, beginnt das actionreiche Gesellschaftsdrama von Anders Ølholm und Frederik Louis Hviid. Der Film stellt die erste Kollaboration zwischen den Männern dar, die beide sowohl als Regisseure als auch Drehbuchautoren fungierten. „Shorta“ feierte letztes Jahr seine Premiere in Venedig, wo er Teil der „International Critics‘ Week“ war.

    Der 19-jährige Talib Ben Hassi wird Opfer brutaler Polizeigewalt und stirbt wenig später im Krankenhaus. Nachdem der Tod Hassis übers Radio verkündet wird, beginnen in weiten Teilen Dänemarks Ausschreitungen. Vor allem im Problemviertel Svalegården sind diese besonders schlimm, weshalb die Polizei dieses Gebiet temporär meiden soll. Der jähzornige Polizist Mike (Jacob Ulrik Lohmann) begibt sich trotz aller Warnungen dennoch dorthin, sein Kollege Jens (Simon Sears), mit dem er gerade auf Streife ist, folgt ihm widerwillig. Sie treffen bald auf den Jugendlichen Amos (Tarek Zayat), der zwar nichts Unrechtmäßiges getan hat, aber trotzdem von Mike verhaftet wird, der ohnehin nur auf Konfrontation aus ist. Dies bleibt allerdings nicht vor der bereits erzürnten Bevölkerung verborgen und Svalegården entpuppt sich für die beiden Polizisten bald als gefährliche Falle. Langsam, aber sicher scheint die Situation zu eskalieren.

    Systematischer Rassismus und die damit einhergehende Polizeigewalt sind auch im Jahr 2021 leider immer noch sehr aktuelle Themen. Nur zu frisch sind beispielsweise die Erinnerungen an den Tod von George Floyd, der im vergangenen Jahr durch eine gewaltsame Festnahme ums Leben kam. Dies hatte zahlreiche Proteste unter dem Motto „Black Lives Matter“ zur Folge, dessen Bewegung seit dem Jahr 2013 existiert. Die damit verbundenen Lebensrealitäten waren bereits Stoff zahlreicher Filme, Melina Matsoukas zeigte unter anderem in „Queen & Slim“ die Unberechenbarkeit einer Polizeikontrolle in den USA. Einem etwas anderen Thema widmete sich Ladj Ly in „Die Wütenden - Les Misérables“, in dem er aus der Sicht dreier Polizisten die schwierigen Lebensverhältnisse in den Pariser Banlieues aufzeigt, in denen Gewalt an der Tagesordnung zu stehen scheinen.

    Die beiden Dänen Ølholm und Hviid verbinden in „Shorta“ nun diese beiden Ansatzpunkte miteinander und verlegen die Handlung nach Dänemark. Gesellschaftliche Milieustudie trifft dabei auf Actionblockbuster, was aufgrund der äußerst relevanten Thematik auf den ersten Blick auch etwas heikel erscheinen kann. Da der Film aber weder wertend noch besonders klischeebehaftet erscheint (wenngleich besagte Klischees leider auch nicht komplett vermieden werden), mutet die Geschichte rund um zwei Polizisten, die sich aus einem Problemviertel regelrecht freikämpfen müssen und dabei auch nicht vor Waffengewalt zurückschrecken, weniger problematisch an, als man auf den ersten Blick vielleicht vermuten könnte.

    Begrüßenswert ist vor allem die Inszenierung einzelner Charaktere, die als komplexe, menschliche Individuen dargestellt werden und nicht einfach nur in „Gut“ und „Böse“ unterteilt werden. Die Regisseure betonen, dass es ihnen wichtig war, diese Komplexität, die jeden einzelnen Menschen ausmacht, zu betonen und dass sie davon absehen wollten, anhand ihres Films eine Botschaft zu vermitteln oder einen Lösungsweg vorzugeben. Genau darin liegt sowohl die Stärke als auch die Schwäche von „Shorta“. Man fragt sich einerseits, was einem der Film (auch wenn er dies vermeiden will) vermitteln will: Soll man jetzt mit dem rassistischen, jähzornigen Protagonisten sympathisieren, nur weil er sich dann auch mal von einer menschlicheren Seite zeigt? Andererseits kommt es eben gleichzeitig zu keiner Wertung des Gezeigten und die beiden Protagonisten fungieren eher als Antihelden, um die sich die Handlung zwar dreht, die aber nicht unbedingt als Identifikationsfläche für Zuschauer*innen angelegt sind.

    „Shorta“ beschäftigt sich jedenfalls mit einem äußerst aktuellen und relevanten Thema und findet dabei einen Zugang, wie man ihn bisher in der Form sicherlich noch nicht gesehen hat. Es handelt sich auf jeden Fall um ein sehr ambitioniertes gemeinschaftliches Debüt, in dem sich die beiden Regisseure wahnsinnig viel vorgenommen haben. Vielleicht sogar etwas zu viel. Das actionreiche Drama ist gekonnt inszeniert, die Musik trägt massiv zur bedrückenden Stimmung bei und auch die Schauspieler*innen überzeugen durchwegs. Darüber, ob man allerdings so fundamentale gesellschaftsrelevante Fragen, wie sie in „Shorta“ aufgeworfen werden, in einen hollywoodartigen Genrefilm verpacken sollte und Vieles dabei unbeantwortet lässt, lässt sich aber sicherlich streiten.