Filmkritik zu Madalena

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    3 Leben. 1 Ort. 1 Mord.

    Exklusiv für Uncut vom International Film Festival Rotterdam
    In seinem Langfilmdebüt „Madalena“ verarbeitet der Brasilianer Madiano Marcheti die Tatsache, dass sein Heimatland Brasilien die höchste Mordrate an Transmännern und -frauen weltweit aufweist. Er nähert sich dieser erschreckenden Statistik auf unkonventionelle Weise, wenn er sich statt mit dem der Handlung zugrundeliegenden Mordfall mit den Nachwirkungen der grauenhaften Tat beschäftigt. Der Fokus liegt dabei nicht nur auf den gezeigten Personen, sondern auch auf der ländlichen Region Brasiliens nahe des Amazonas, in der Marcheti aufgewachsen ist.

    Emus, die sich majestätisch auf einer Plantage bewegen. Der Wind ist zu hören, das Grün der Sojafelder wirkt geradezu harmonisch. Es liegt jedoch eine gewisse Unruhe in der Luft, der Ursprung dieser bedrückenden Stimmung ist jedoch nicht sofort erkennbar. Man sieht gerade noch einen Mähdrescher seine Runden ziehen, plötzlich ist das Rätsel um die düstere Atmosphäre gelöst: im Gras liegt eine Leiche. Madalena.

    Doch was geschah mit Madalena? Diese Frage wird in Marchetis Debütlangfilm nie beantwortet werden. Viel eher widmet sich das stille Drama dem Alltagsleben von Luziane, Cristiano und Bianca, die alle durch den Tod von Madalena miteinander verbunden sind, wenngleich sie sich auch nie begegnen werden. Alle spielen sie eine gewisse Rolle im Leben oder Tod Madalenas, wenngleich auch diese nicht immer ganz aufgeklärt wird. Vieles bleibt hier also im Verborgenen, auf Vieles bekommen wir als Zuseher*innen bis zum Schluss keine Antworten.

    Die relativ kurze Laufzeit, während der wir den drei Charakteren begegnen, zieht sich manchmal zwar etwas in die Länge, Marcheti schafft es allerdings nichtsdestotrotz scheinbar zufällige, alltägliche Momente in besonderer Art und Weise einzufangen. Dabei gibt er nicht nur einen Einblick in das Leben der drei Protagonist*innen, sondern liefert auch ein äußerst reizvolles Sittenbild der ortsansässigen Gemeinschaft. Egal, ob wir Zeuge von Menschen bei der Gartenarbeit, Aktivitäten in Tanzgruppen oder des lokalen Nachtlebens werden – gezeigt werden immer Bilder der Menschen und der Region. Via Drohnenaufnahmen sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Die dauernden Verbrechensmeldungen im Radio berichten zudem über die hohe Verbrechensrate. Gewalt scheint hier allgegenwärtig zu sein, wenngleich auch nicht offensichtlich.

    Die Inszenierung von Tag und Nacht fällt in „Madalena“ sehr unterschiedlich aus. Während der Alltag scheinbar vorrangig aus Feldarbeit zu bestehen scheint, stellen die grünen Sojapflanzen selbst für diejenigen, die dieser nicht nachgehen, einen ständigen Begleiter dar. Das Nachtleben hingegen ist geprägt von Clubmusik und Neonlichtern, egal ob im Tanzlokal oder im Auto. Auch die drei Erzählungen rund um die Protagonist*innen erweisen sich letztendlich als sehr different und divergieren auch etwas in ihrer emotionalen Bandbreite. Mehr sei dazu jedoch nicht verraten, weil das möglicherweise bereits zu viel vorwegnehmen würde.

    Bei „Madalena“ handelt es sich jedenfalls um ein äußerst überzeugendes Erstlingswerk. Marcheti gelingt es, das Bild einer Gemeinschaft zu vermitteln und gleichzeitig unterschwellig gesellschaftspolitische Problematiken des Landes Brasiliens anzusprechen. Er setzt dabei auf ein realistisches Kino, das auch das ein oder andere Mal mit der Erwartungshaltung der Zuschauer*innen spielt. Man darf gespannt sein, welchen Projekten sich der Regisseur in Zukunft noch widmen wird.