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    Eine Riesenfliege auf Abwegen

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Man kann über die Filme von Quentin Dupieux sagen, was man will, eines ist jedenfalls sicher: Der Regisseur schafft es wie kein Zweiter, die absurdesten Ideen mit einer Leichtigkeit auf die Leinwand zu bringen, die seinesgleichen sucht. So traf man in der Vergangenheit schon auf einen mordlustigen Autoreifen („Rubber“) oder eine Lederjacke, die Jean Dujardin das Leben schwer machte („Monsieur Killerstyle“). Und auch im neuesten Film des Kultregisseurs liegt der Fokus erneut auf einer außergewöhnlichen Hauptfigur: der Riesenfliege Dominique.

    Die beiden Freunde Manu (Grégoire Ludig) und Jean-Gab (David Marsais) halten sich über verschiedene, nicht immer ganz legale Gelegenheitsjobs über Wasser. Nun sind sie gerade wieder auf der Suche nach einer neuen Einnahmequelle. Wie das Leben so spielt, finden sie diese schon bald im Kofferraum eines gestohlenen Wagens – und zwar in Form einer Riesenfliege. Den Sensationsfaktor ihres Fundes sogleich durchschauend, malen sich die beiden Männer sofort eine äußerst rosige Zukunft aus. Dafür müssen sie die Fliege, die sie Dominique nennen, jedoch erst mal trainieren. Auf der Suche nach einem passenden Trainingsort treffen sie zufällig auf Cécile (India Hair), die gemeinsam mit ihren Freund*innen das verlassene Sommerdomizil ihrer Eltern besucht. Dank einer Verwechslung schließen sich auch Manu und Jean-Gab der munteren Reisegruppe an, mit im (geheimen) Gepäck das überdimensional große Insekt. Schon bald kommt ihnen aber jemand auf die Schliche: Céciles Freundin Agnès (Adèle Exarchopoulos), die nach einem Unfall nur noch schreiende Sätze von sich geben kann.

    Die Entdeckung einer Riesenfliege, wie sie in „Mandibules“ zu sehen ist, wäre im realen Leben sicherlich ein Jahrtausendfund. In Quentin Dupieux Filmuniversum wird er zwar ebenfalls als ungewöhnlich dargestellt, die rationale Herangehensweise der beiden Protagonisten sorgt jedoch auch für eine schnell einsetzende Selbstverständlichkeit. Genau das ist es auch, was die Dupieux-Filme so besonders macht. Für sein Publikum erscheint alles äußerst skurril, was sich da auf der Leinwand abspielt, innerhalb des Films wird den verrücktesten Ideen allerdings mit einer gewissen Beiläufigkeit begegnet, wodurch eine sehr ulkige, aber auch wahnsinnig stimmige Atmosphäre entsteht.

    Der Humor, der sich daraus ergründet, hat es jedenfalls in sich. Manche Stellen mögen vielleicht auch etwas seicht wirken, manche Stellen mag man auch als schwierig empfinden. Denn man fragt sich zwischendurch schon, ob man überhaupt lachen darf, wenn Adèle Exarchopoulos eine Person mit einer Hirnschädigung äußerst exaltiert darstellt. „Mandibules“ legt es aber wahrscheinlich gerade darauf an – denn der Film kennt keine Grenzen.

    Die beiden Hauptdarsteller stellen sich dabei als Dreamteam in puncto Buddy-Komödie heraus. Es handelt sich hier um skurrile Antihelden, die durch ihren Zynismus allerdings auch an Liebenswürdigkeit dazugewinnen, vor allem dann, wenn sie uns mit einem der witzigsten Handshakes der Filmgeschichte bekannt machen („Toro!“). Aber es gibt ja auch noch eine weitere Hauptfigur, und zwar die Riesenfliege selbst, die vor allem optisch so einiges hermacht. Bedient wurde sie übrigens von Dave Chapman, der zum Beispiel auch den Droiden BB-8 aus der neuen „Star Wars“-Reihe steuerte.

    Urkomisch und äußerst klug inszeniert, überrascht „Mandibules“ mit gewagtem Wortwitz und abstrusen Einfällen. Als Zuschauer*in muss man sich hier schon auf einen gesteigerten Grad an Absurdität einlassen, bekommt dafür aber auch eine außergewöhnliche Gesellschaftssatire vorgesetzt, bei der man nicht anders kann, als laut loszulachen. Beim Screening während des diesjährigen Slash½ war dies, jedenfalls der Publikumsreaktion zufolge, nicht nur einmal der Fall.