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  • Bewertung

    Ein Film als Abschiedsbrief

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    Nach seinem Überraschungshit „Bad Genius“, der im Jahr 2017 der erfolgreichste Film in ganz Thailand war, feierte nun Regisseur Nattawut „Baz“ Poonpiriyas‘ neuestes Werk „One for the Road“ seine Premiere im Zuge des Sundance Film Festivals. Während sich „Bad Genius“ dem Heist-Genre zuordnen ließ, findet sich sein aktueller Film mehr im Bereich Drama wieder und ist vor allem für den Regisseur selbst ein äußerst persönlicher Film, mit welchem er versucht eigene Erlebnisse zu verarbeiten. Zuvor hat Poonpiriya drei Jahre lang unter Altmeister Wong Kar-Wai gelernt, der auch als Hauptproduzent am Film beteiligt ist. Die Einflüsse des chinesischen Regisseurs sind vor allem auf narrativer Ebene deutlich erkennbar.

    Das Drama folgt dem Barkeeper Boss, der seine Nächte in New York vorwiegend mit Alkohol und Frauen verbringt. Eines Tages erhält er einen Anruf, der in aus der Fassung bringt: Sein bester Freund Aood teilt ihm mit, er liege mit Leukämie im Sterben und wünsche sich, dass Boss zu ihm nach Thailand käme. Dort angekommen trifft er seinen ausgemergelten, aber gefasst wirkenden Freund seit Jahren zum ersten Mal wieder. Er versucht zunächst ihn zur Fortsetzung seiner Chemotherapie zu überreden, Aood scheint sich jedoch mit seinem Schicksal abgefunden zu haben und möchte nur, dass Boss ihn dabei unterstützt sich von seinen Verflossenen zu verabschieden, die er allesamt ein letztes Mal sehen möchte. Doch Boss ahnt nicht, dass auch er selbst Teil jener Gruppe ist, bei denen Aood eine letzte Wiedergutmachung leisten möchte.

    Obwohl der Film, ob seiner sehr ernsten Thematik, viel Melodramatik verspricht, wirkt diese zu keiner Zeit aufgesetzt oder zu kitschig, viel eher führt er den Menschen die unglaubliche Zerbrechlichkeit vor Augen, die menschlichen Beziehungen zu Grunde liegt. Auch wenn es anfangs scheint, als stünden die Verhältnisse zu Aoods Ex-Freundinnen im Fokus, so ist es letztendlich doch die innige Freundschaft der beiden Protagonisten, die wahrhaftig im Mittelpunkt steht und einer harten Probe unterzogen wird.

    Das Hauptnarrativ wird bewusst von zahlreichen Rückblenden unterbrochen, die anachronistisch Auskunft über die Hintergründe zu Aoods gescheiterten Beziehungen geben und auch auf die schwierige Familiengeschichte von Boss wird hier eingegangen. Während diese Reminiszenzen zunächst wie Kapitel dargelegt werden, mit denen Aood sinngemäß abschließen möchte, verliert sich dieser klare Aufbau in der Mitte des Films ein wenig, was dem ohnehin eher längeren Film ein wenig an Fahrt nimmt.

    Eine absolute Besonderheit des Films ist das außergewöhnliche Zusammenspiel von stylischer Bildkomposition und einem Soundtrack, der, vollgepackt mit Popklassikern und Evergreens, beim Publikum gekonnt die gewünschten Emotionen evoziert. Durch die unglaublich gute Chemie der beiden Hauptdarsteller Thanapob Leeratanakajorn und Natara Nopparatayapon gewinnt der Film zusätzlich an Authentizität, und es ist vor allem das Schauspiel der beiden, das es vermag den teilweise holprigen Mittelteil, dem ein besonders langer Flashback zum Verhängnis wird, zu überbrücken.

    Der Film berührt nicht nur, sondern hält einem durch die sorgfältige Ergründung von Themen wie Vergebung, Reue und Abschied gleichzeitig beispiellos vor Augen, dass jeder im Leben Fehler begeht und man sich diesen stellen sollte, bevor es zu spät ist.
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    (Julia Pogatetz)
    29.01.2021
    14:33 Uhr