Filmkritik zu Das Versteck

Bilder: Koch Films Fotos: Koch Films
  • Bewertung

    John allein zu Haus

    Exklusiv für Uncut vom Sundance Film Festival
    Für sein Regiedebüt „John and the Hole“ hat sich der spanische Künstler Pascual Sisto mit dem Drehbuchautor Nicolas Giacobone zusammengetan, der für sei Drehbuch zu „Birdman“ 2015 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Der Film sollte ursprünglich im Zuge des Filmfestspiele von Cannes 2020 Premiere feiern, nach dessen Absage wurde er schließlich zum diesjährigen Sundance-Programm hinzugefügt. Neben Protagonist Charlie Shotwell sind in weiteren Rollen Michael C. Hall, Taissa Farmiga und Jennifer Ehle zu sehen.

    Der 13-jährige John scheint ein ganz normales Leben in der perfekten Durchschnittsfamilie zu führen. Er hat gute Schulnoten, geht artig seinen Tennisstunden nach und spielt nachmittags mit Freunden Videospiele. Trotzdemscheint der Junge eine Art Gleichgültigkeit seine Mitmenschen gegenüber auszustrahlen, er hat einen Mangel an Empathie und einen Hang dazu unangenehme Fragen zu stellen – eine Tatsache, die auch innerhalb seiner Familie Unbehagen auslöst. Als der Junge während eines Erkundungstrips im nahegelegenen Wald einen nicht fertiggestellten Bunker entdeckt, weiß der Junge schlagartig, wie er nun vorzugehen hat. In einer Nacht- und Nebelaktion setzt er seine Eltern und Schwester unter Drogen und sperrt sie – ohne jegliche Erklärung – in das tiefe Erdloch. Der Teenager genießt seine neu gewonnene Freiheit mit Fast Food, Videospielen und Pool-Experimenten, während der Rest der Familie im schmutzigen Loch auf Antworten wartet.

    Der Genremix aus Coming-of-Story und psychologischem Drama, bemüht sich nicht dem Publikum umfassend Hintergründe und Motivationen zu erklären, sondern fängt viel eher die Handlungen der involvierten Figuren als eine Art Momentaufnahme ein. Die starke Performance des Kinderschauspielers Charlie Shotwell, der mit seiner Rolle als emotionsloser Soziopath John tiefe Beklommenheit oder gar Gänsehaut beim Publikum auslöst, trägt maßgeblich zum Erfolg des Films bei. Dass sich die Figur des John dabei irgendwo zwischen bösem Genie und Wahnsinnigen situiert, wird dabei durch Szenen, in denen das Kind gekonnt Erwachsene manipuliert und sich so seine ganz eigene Realität zurechtspinnt, dargestellt.

    Während der Film den Großteil seiner Lauflänge eine düstere Perspektive wiedergibt, so hat der Film dennoch Momente in denen schwarzer Humor und situative Komik überwiegen, bis das Werk schließlich mit einer antiklimaktischen Szene, die dem Zuseher viel Raum zur eigenen Interpretation überlässt, abschließt. Genau an diesem Punkt dürften sich die Geister scheiden. Im Gegensatz zu anderen Dramen mit weit ausholender Exposition lässt das subtile Drama dem Publikum selbst an einer Erklärung für das Gezeigte arbeiten. Auch die nüchterne, äußerst statische Kameraführung im 4:3-Format spiegelt die emotionale Distanz des Protagonisten in allen Aspekten wider.

    Die Darstellung der bizarren Familiendynamik, die nicht auf emotionalem Trauma, sondern viel mehr auf fehlender Konsequenz basiert, erinnert stark an frühe Werke von Michael Haneke und Yorgos Lanthimos Drama „Dogtooth“.

    Ein düsteres, zutiefst verstörendes Coming-of-Age-Drama, das für Neoregisseur Pascual Sisto und Newcomer Charlie Shotwell der Ausgangspunkt einer vielversprechenden Karriere sein könnte!
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    (Julia Pogatetz)
    01.02.2021
    20:55 Uhr