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  • Bewertung

    Weibliche Mission in den Weltraum

    Exklusiv für Uncut vom Crossing Europe Film Festival
    In „Proxima“ beobachtet Regisseurin Alice Winocour die Herausforderungen für eine Astronautin, ihr Familienleben und ihren Beruf in der Waage zu halten. Was auf den ersten Blick wie eine Geschichte über ein antiquierte Ansicht von „femininen“ Prioritäten klingt, ist aber letztendlich eine einfühlsame Interpretation von inneren mütterlichen Konflikten, dem Sexismus den der Job mit sich bringt, und die physische Herausforderung, an der die Astronauten beinahe brechen müssen.

    Eva Green spielt Sarah, die nach jahrelangem Training für eine einjährige Mission auf der Internationalen Raumstation ausgewählt wird. Doch schon vorab, bevor das eigentliche Training beginnt, formen sich erste Herausforderungen. Ihre Tochter Stella, zu der Sarah eine enge Bindung hat, muss nun zu ihrem Vater ziehen. Dieser zeigt sich einerseits unterstützend, aber auch frustriert dass diese Situation vorher nicht diskutiert wurde.

    Green spielt hier geschickt gegen ihr vor allem von Hollywood geprägtes Image der eiskalten Frauenfigur und schafft einen Charakter, der ambitioniert aber nachsichtig, engagiert aber warmherzig ist. Vor allem ihre Chemie mit Jungdarstellerin Zélie Boulant ist ein Höhepunkt des Films, die Warmherzigkeit aber auch die Frustrationen, die beide aneinander abreiben, reißt emotional mit.

    Winocour ist in ihrem Symbolismus zwar manchmal etwas zu platt und offensichtlich, doch die Grundprobleme, die moderne Frauen mit sich herumtragen, sind sehr real. Sarah steht vor der Situation, eine Sache die sie unbedingt will zu bekommen, aber in einer anderen Verluste hinzunehmen. Durch die Abgeschiedenheit ihres Trainings beginnt ihre Verbindung zu Stella Risse zu erhalten. Stella wiederum nähert sich emotional nach einer komplizierten Eingewöhnungsphase ihrem Vater (Lars Eidinger) und der Familienbetreuerin (Sandra Hüller) des Programms an.

    Innerhalb ihres Teams wird die Astronautin mit der Herausforderung konfrontiert die einzige Frau in der Crew zu sein. Ihr Teamleiter Mike (Matt Dillon) mag zwar wohlgesinnt sein, ist aber vollgestopft mit Vorurteilen über Frauen und stellt ihr bei erster Gelegenheit ihren Ersatzmann vor. Hier geht der Film die etwas uncharmante Route der Validierung der Frauenrolle durch den erworbenen Respekt der männlichen Figur.

    Viel starker wirken dagegen die Szenen, in denen Sarah dem knallharten Astronautentraining im Niemandsland der sibirischen Steppe unterworfen wird. Ob brennende Räume, stressige Unterwassermissionen, hohe Geschwindigkeitsrotationen oder tagelange Isolation – die psychische und physische Belastung geben dem sonst so ruhigen Film eine herausfordernde Note. Dazu kommt noch, dass Sarah, wie Frauen generell, sich zusätzlich vor ihren männlichen Kollegen beweisen muss.

    „Proxima“ bietet weniger Weltraum-Action und Raumfahrt-Sci-Fi als man sich zunächst erhoffen möchte. Aber der Film überzeugt in seinen irdischen dramatischen Momenten, der vertrauten Herausforderung seine Wünsche zu erfüllen und gleichzeitig Kompromisse im Leben einzugehen. Denn obwohl der Film viele moderne Probleme von Frauen mit Karriere anspricht, so verschreibt er sich letztendlich aber doch einem gewissen, zufriedenstellenden Optimismus.
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    (Susanne Gottlieb)
    06.10.2021
    20:16 Uhr
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