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  • Bewertung

    Shakespeare als Ekelmontage

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Wenn US-Regisseur Lloyd Kaufman am Ruder sitzt, dann kann es schon mal eklig werden. Nicht anders zu erwarten in seinem jüngsten Film „#ShakespeareShitstorm“, in dem er es sich zur Aufgabe gemacht hat das Shakespeare-Stück „The Tempest“ (Der Sturm) für ein modernes Publikum zu arrangieren. Zunächst scheint es auch noch in geregelten Bahnen zu verlaufen. Ein fluchendes Shakespeare-Stand-In erklärt die Spieler, die verfeindeten Fraktionen, die sich nun bekriegen werden. Doch als ein paar Minuten später die ersten Orcas bereits ihre Darmgewinde über den Figuren entleeren, befindet sich der Zuschauer bereits auf einem klassischen Kaufman-Trip ins Groteske und Anarchische.

    Was sind die Herausforderungen und Probleme unserer modernen Gesellschaft. Cancel Culture und mediale Shitstorms, findet Kaufman. Social Media übernimmt die Rolle der Legislative. Diese Entwicklung parodiert er indem er sie plakativ in die Rahmenhandlung von „The Tempest“ einpflanzt. Statt Herzöge gibt es nun Pharmabosse und Erfinder. Auf einer Überfahrt eines Pharmakonzerns nach Nordkorea wird die Luxusyacht von diesem Orca-Shitstorm getroffen und zerstört. Die Überlebenden landen an den Ufern von Tromaville, irgendwo in New Jersey. Dort will der Wissenschaftler Prospero (Kaufman) Rache an seinem ehemaligen Arbeitgeber sowie seiner Schwester nehmen, die skrupellos Kapital aus seinen Erfindungen geschlagen haben.

    Mit dabei: schwarze Mitkollaborateure, die anscheinend Leibeigentum des Verstoßenen sind und somit eine Horde an Snowflake-Millenials triggern. Die Meute schreitet zur Auseinandersetzung – es sei denn, einer von ihnen gewinnt plötzlich Perspektive. Dann ist da noch die Droge, die den Einnehmenden verschiedene sexuelle Körperteile wachsen lässt – weil wie sonst kann man Leute nicht triggern, wenn man auch ein Paar Brüste, eine Vagina oder sonstige Minderheitenqualitäten vorweist?

    Kaufman treibt diese abstrusen Elemente wie gewohnt auf die Spitze, unterlegt sie mit massenhaft Körperflüssigkeiten und Gesang. Wer hinter die ganzen Ekel- und Gorekomponenten blicken kann, findet hier zündende, pointierte Realsatire und die eine oder andere forcierte Catchphrase. Kaufman spricht die wunden Punkte der Gesellschaft an. Aber er tut es mit viel Ironie für seine eigene privilegierte Position. Hier spricht kein Mann, der mit Woke-Kultur nichts anfangen kann. Sondern zynisches Mastermind, das in alle Richtungen von verqueren Standards austeilt.

    Für Fans des Altmeisters ist „#ShakespeareShitstorm“ ein wahres Freudenfest an perfidem Geschmack und Ekelfaktor. Für Kaufman-Neulinge vielleicht ab und an ein wenig zu fordernd. Aber Shakespeare, so sagt auch der fluchende Bard in einer Zwischenmontage, hätte das sicher für gut befunden.
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    (Susanne Gottlieb)
    25.09.2020
    08:00 Uhr
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