Bilder: Sony Pictures, Netflix Fotos: Sony Pictures, Netflix
  • Bewertung

    Robocalypse Now

    Exklusiv für Uncut
    Im Bereich der Computeranimation kam man im vergangenen Jahrzehnt an den Namen Phil Lord und Christopher Miller kaum vorbei. Die beiden US-Amerikaner, die schon für ihr gemeinsames Regiedebüt „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“ (2009) Lob ernteten, haben sich in den letzten Jahren als Wunderknaben der modernen Animationsfilmkunst erwiesen. In ihrem mit Lob überschütteten „The Lego Movie“ (2014), der sich als weit mehr herausstellte als lediglich ein Werbefilm für den gleichnamigen dänischen Spielzeugkonzern, präsentierten sich Lord und Miller abermals als außerordentlich kreative Köpfe mit natürlichem Sinn für komödiantisches Timing. Die Produktionsfirma der Zwei zeichnete sich unlängst auch für den revolutionär animierten und von Lord selbst geschriebenen „Spider-Man: A New Universe“ (2018) verantwortlich, der damals nicht zu Unrecht mit dem Oscar für den „Besten Animationsfilm“ ausgezeichnet wurde. Für ihre neueste Arbeit „The Mitchells vs. the Machines“ verzichteten die Zwei einmal mehr auf den Regieposten und übernahmen in Zusammenarbeit mit Sony und Columbia Pictures die Produktion. Im Regiesessel nahm diesmal hingegen der für seine Arbeit an der Erfolgsserie „Gravity Falls“ bekannte Mike Rianda Platz, der zusammen mit Jeff Lowe auch das Drehbuch zum Film beisteuerte. Die Handschrift von Lord und Miller bleibt nichtsdestotrotz unverkennbar.

    Im Zentrum des Animationsabenteuers steht die Teenagerin Katie Mitchell (im Original: Abbie Jacobson), die sich nichts sehnlicher wünscht, als eines Tages Filmemacherin zu werden. Als sie in die Filmhochschule ihrer Träume aufgenommen wird, scheint sie ihrem Ziel immerhin einen großen Schritt näher gekommen zu sein. Bevor der neue Lebensabschnitt aber beginnen darf, begibt sie sich auf Wunsch ihres tollpatschigen Vaters Rick noch auf einen finalen Ausflug mit ihrer Familie. Diese wird durch die Mutter Linda (Erfolgs-Comedienne Maya Rudolph) und dem exzentrischen kleinen Bruder Aaron komplettiert. Der gemeinsame Roadtrip nimmt jedoch eine unerwartete Wende, als PAL, die künstliche Intelligenz eines virtuellen Assistenten, sich gegen ihren Schöpfer Dr. Mark Bowman richtet und somit einen globalen Aufstand der Roboter anzettelt. Die Maschinen gewinnen kurzerhand die Oberhand über die Menschen und sollen diese, auf Befehl von PAL, in würfelartigen Behältern gefangen nehmen. Nun liegt es ausgerechnet in der Hand der chaotischen Mitchell-Familie der Roboter-Apokalypse Einhalt zu gebieten, um den Planeten vor dem digitalisierten Untergang zu retten und Katie doch noch ein normales Unileben zu ermöglichen.

    Wie es bereits in „Spider-Verse“ der Fall war, werden auch hier klassische 2D-Techniken mit modernen 3D-Animationen vermischt. Daraus resultiert eine einzigartige Optik, die dem animierten Sci-Fi-Abenteuer großen visuellen Reiz und in Kombination mit flotten Schnitten auch ein angenehmes Tempo verleiht. Die ästhetische Aufmachung, die stellenweise der eines alten Comics gleicht, kommt der Erzählart zu Gute und macht sich diese kreativ zu Nutze.

    Ein großes Plus ist definitiv auch der pointierte Humor des Films, der von herrlich selbstreferentiellen Meta-Gags und präzise platzierten One-Linern lebt. Die individuelle Gestaltung der Charaktere leistet dafür bestimmt einen wichtigen Beitrag. Oft sind es genau Nebenfiguren, die für die größten Lacher sorgen dürfen. Gerade in den Momenten zwischen der verrückt gewordenen künstlichen Intelligenz PAL (Oscar-Preisträgerin Olivia Colman) und ihrem offenbar von größenwahnsinnigen Tech-Mogulen beeinflussten Erfinder Dr. Mark Bowman (im Original: Dada-Komiker Eric André) steckt viel Schmunzelpotenzial. Im Laufe des Films avancieren auch zwei umprogrammierte Roboter (Fred Armisen und Beck Bennett) zu heimlichen Stars.

    Am Ende des Tages ist es aber der familiäre Kern im Vordergrund, der dem Animationsspaß als Hauptantrieb dient. Klassische Familienstereotypen werden charmant auf den Kopf gestellt und mit einem Augenzwinkern hinterfragt. Die Dynamiken zwischen den vier Hauptcharakteren funktionieren prima und bergen ungeahnt emotionales Konfliktpotenzial. Aber auch innerhalb der Familie kommt der Humor kein bisschen zu kurz: vor allem der technophobe Familienvater Rick (Frat-Pack-Comedian Danny McBride) und der Dinosaurier-besessene Sohn (Regisseur Mike Rianda) strapazieren die Lachmuskeln des Publikums.

    Die eher austauschbare Grundprämisse und der minimale Energieverlust in der zweiten Hälfte dürften hingegen selbstverständlich bekrittelt werden. Durch die große Portion Selbstironie, in der sich der Film suhlt, fällt diese Problematik aber kaum ins Gewicht. Mike Rianda liefert mit „Die Mitchells gegen die Maschinen“ ein vielversprechendes Regiedebüt, das trotz vertrauter Plot-Elemente originell und eigenständig bleibt.

    Frech, ideenreich, pointiert und atemberaubend animiert!
    Ein weiterer Hit der Marke Lord & Miller!
    1705313743158_ee743960d9.jpg
    (Christian Pogatetz)
    28.04.2021
    20:19 Uhr