Bilder: The Walt Disney Company Fotos: The Walt Disney Company
  • Bewertung

    One Dragon to Unite Them All

    Exklusiv für Uncut
    Während Disney im Live-Action-Department zuletzt stark auf den Erfolg von Remakes und Fortsetzungen setzte, blieb der milliardenschwere Maus-Konzern immerhin im Animationsbereich seiner Linie treu. Computeranimierte Erfolgsfilme wie „Rapunzel – Neu Verföhnt“ (2010), „Ralph Reicht’s“ (2012) oder „Zootoopia“ (2016) strotzten nur so vor Einfallsreichtum und Detailverliebtheit und mussten sich in Punkto Qualität wohl kaum vor den großen 2D-Klassikern der Marke Disney verstecken. Nachdem sich die Walt Disney Animation Studios in den letzten zwei Jahren mit „Ralph Breaks the Internet“ und „Die Eiskönigin 2“ ebenfalls am vermeintlichen Erfolgsrezept der Sequels versuchen wollten, erscheint nun ihr erster Originalfilm seit der Veröffentlichung von „Moana“ im Jahre 2016. „Raya und der letzte Drache“ nennt sich der Streifen und beweist eindrücklich, dass dem Studio selbst 2021 noch nicht die kreative Puste ausgegangen ist. Der unter der gemeinsamen Regie von Don Hall und Carlos López Estrada entstandene Film ist ab Ende der Woche mit einem Aufpreis von 21,99€ auf der Streaming-Plattform Disney+ erhältlich, während er zur selben Zeit in Ländern, in denen Kinos bereits wieder geöffnet haben, vereinzelt auch auf der großen Leinwand zu sehen sein wird.

    Das Animationsabenteuer entführt Zuschauer*innen in die fiktive Welt von Kumandra, wo Menschen und Drachen einst in Frieden und Harmonie zusammenlebten. All das änderte sich jedoch, als die Bewohnerschaft von sinisteren Geschöpfen namens Druun, die jegliche Lebewesen zu Stein werden lassen, heimgesucht wurde. Um die Menschen vor den bösen Mächten zu schützen, opferten sich damals die Drachen für sie auf. Knapp 500 Jahre später stehen die fünf Gebiete des einst vereinigten Kumandras im Krieg miteinander. Als dann plötzlich auch noch die gefährlichen Druun zurückkehren und erneut Angst und Schrecken verbreiten, liegt es in der Hand der jungen Raya (im Originalton: Kelly Marie Tran), an alle Teile eines zerbrochenen Edelsteins (ein antikes Drachen-Artefakt) zu gelangen, um so dem Terror Einhalt zu gebieten und die zutiefst gespaltene Bevölkerung wieder zusammenzuführen. Der Kriegerin gelingt es gar Sisu (Awkwafina), den allerletzten Drachen ihrer Art, zurück ins Reich der Lebenden zu bringen. Sisu soll Raya auf ihrer langen Reise behilflich sein, die tollpatschige Ader der jahrhundertealten Drachen-Lady erweist sich jedoch als unerwartete Herausforderung. Obwohl der kampferfahrenen jungen Frau auch noch weitere Steine in den Weg gelegt werden, nimmt sie den weiten Weg trotzdem auf sich und hofft auf eine friedvolle Zukunft für ihre vom Krieg gezeichnete Heimat.

    Rein ästhetisch ist „Raya und der letzte Drachen“ eine der eindrucksvollsten Disney-Produktionen in jüngerer Vergangenheit. Kumandra wird als farbenfrohe Fantasy-Welt visualisiert, die in ihrem visuellen Detailreichtum und den klaren Einflüssen südostasiatischer Kulturen stellenweise nahezu photorealistische Züge annimmt. Den fünf voneinander getrennten Gebieten Kumandras (Fang Land, Heart Land, Spine Land, Tail Land, Talon Land) wurden jeweils einzigartige Charakteristiken gegeben. Wenn Raya beispielsweise relativ am Anfang mit ihrem tierischen Begleiter Tuk Tuk (ein liebenswerter Misch-Masch aus Gürteltier und Kugelassel) ein sandiges Ödland durchstreift, erinnert dies in seiner visuellen Aufmachung an post-apokalyptische Endzeitfilme. Selbst die Kampfsequenzen sind für Animationsfilm-Verhältnisse ungewohnt dynamisch geschnitten und voller Intensität.

    Abseits der bildgewaltigen Animationen, sind es die zum Großteil gut ausgearbeiteten Charakter, die dem Film eine Seele und eigene Identität verleihen. Unserer titelgebenden Heldin Raya wird bereits mithilfe der aufwühlenden Eröffnungssequenz ein nötiges Maß an Tiefe gegeben, das dem Publikum bis zum Ende mit ihrer Figur mit fiebern lässt. Auch den Bewohner*innen der anderen Reiche Kumandras, denen Raya während ihrer Reise begegnet, wurde trotz geringer Screentime Leben eingehaucht. Was der Film teils an Charaktertiefe vermissen lässt, wird durch reichlich Charme wieder wettgemacht. Allen voran ist es Drachen-Dame Sisu, die den Film durch ihr verpeiltes Gemüt mit sympathischem Slapstick versorgt.

    Die Geschichte an sich wirkt an vielen Stellen altvertraut und läuft auf ein weitestgehend vorhersehbares Ende hinaus. Die schon mehrfach verwendete Story-Schablone der Campbell’schen Heldenreise findet durch geschickt platzierte emotionale Höhen der Handlung aber auch beim erneuten Male wieder Anklang. Ärgerlich ist hingegen, dass der Film zwar (wie es in den letzten Jahren mehrfach der Fall war) eine homosexuelle Romanze zwischen zwei Hauptfiguren anteasert, Disney jedoch abermals nicht den Mut aufbringen konnte, diese konsequent bis zum Ende durchzuziehen und es bei vagen Andeutungen belässt.

    Im Großen und Ganzen handelt es sich bei „Raya und der letzte Drachen“ aber in der Tat um einen weiteren gelungen Eintrag im computeranimierten Spielfilm-Katalog Disneys. Ein prachtvoll animiertes und mitreißend erzähltes Fantasy-Epos für Groß und Klein!
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    (Christian Pogatetz)
    01.03.2021
    18:42 Uhr