Filmkritik zu Morbius

Bilder: Sony Pictures Fotos: Sony Pictures
  • Bewertung

    Morbider mutloser Marvel-Müll

    Exklusiv für Uncut
    Vorab eine schnelle Frage: Was hat die Kinowelt aktuell nicht gebraucht? Richtig, einen weiteren Comic-Streifen, der eine neue Figur einführt, mit der sich wunderbar weitere Crossover-Sequel-Prequels machen lassen. Nach „Venom“ und „Venom: Let there be Carnage” ist „Morbius“ der dritte Film des Sony Spider-Man Universe, einer Art Antihelden-Franchise aller Spider-Man-Gegner. Daniél Espinosa, bisher durch den durchwachsenen Weltraumhorror „Life“ auf- bzw. durchgefallen, präsentiert uns ein bescheidenes Werk, dem wir uns gleich widmen.

    Zunächst einige Worte zu Sonys Spider-Man Universe. Was soll das sein? Ursprünglich hat Sony Pictures Entertainment die Rechte an allem, was mit Spider-Man zu tun hat. Ende der 1990 sicherte sich die Tochter des Elektronikkonzerns alle Verfilmungsrechte des rotblauen Athletikhelden. Das heißt: Sony kann Spider-Man sowie auch alle in dieser Welt auftauchenden Figuren filmisch verarbeiten. Erst 2015 wurde ein Vertrag mit den Marvel Studios unterzeichnet, demzufolge Spider-Man im MCU auftreten darf. Dadurch wurde die neue Reihe mit Tom Holland und die Teilnahme des Spinnenhelden an den Avengers ermöglicht. Dennoch wollte Sony sich das Recht vorbehalten und weitere Figuren rund um Spider-Man ausschlachten. Diese Filme werden nun gemäß Vertrag von Marvel produziert und von Sony vertrieben, wobei Sony alle kreativen Rechte dieser Filme innehat. So kommt es, dass wir es mit einem neuen Marvel-Film zu tun haben, der aber nicht dem MCU zuzuordnen ist, einen gänzlich anderen Look aufweist und Sony die Finger im Spiel hat.

    Zurück zu Dr. Michael Morbius. Der Nobelpreisträger in Biochemie leidet seit seiner Kindheit an einer seltenen Blutkrankheit. Mit dem altruistischen Ziel, ein Gegenmittel zu finden, unterzieht er sich einem Selbstversuch und gentransformiert sein Blut mit dem einer Fledermaus. Sein Körper wird von der Krankheit geheilt, von jetzt an lebt er allerdings als Mensch-Fledermaus-Hybrid, was gesteigerte Wahrnehmung, physische Kräfte, aber auch den fledermaus-typischen Vampirdurst nach Blut mit sich bringt.

    Ein Comic mit einer Fledermaus als narrativem Element? Das kennen wir doch irgendwoher, dieses Fledermaus-Narrativ wird bereits vom Dunklen Ritter vereinnahmt. Und siehe da: einige Kameraeinstellungen und mitunter der Score erinnern an die Nolan Batman-Reihe, die diesem Film um Welten voraus ist. „Morbius“ besticht durch Vorhersehbarkeit, schlechtes Drehbuch und billige Action. Quo vadis, Jared Leto? Es fällt schwer, ihn als Person nicht zu mögen, seine Darbietungen nehmen aber immer merkwürdigere Züge an. Frisch mit der Goldenen Himbeere als schlechtester Nebendarsteller des Jahres in „House of Gucci“ ausgezeichnet, ist die Besetzung von ihm naheliegend. Zu Beginn schwach und blass passt er mit seiner Optik zur Veranschaulichung des Hybridvampirs. Sein Talent wird jedoch gänzlich verschenkt, weil das Innenleben von Morbius keine Rolle spielt. So psychologisierend der aktuelle Batman ist, so platt ist „Morbius“. Wobei wir uns im Hinblick auf Leto inzwischen fragen müssen, ob nicht die Oscar-Performance in „Dallas Buyers Club“ die Ausnahme denn die Regel war. Und wenn der Hauptcharakter des Films ohne Figurenzeichnung bleibt, müssen wir die Nebendarsteller*innen-Riege nicht beachten. Jared Harris („Chernobyl“) spielt den Arzt von Morbius, Adria Arjona muss als Verlobte der Hauptrolle diverse unplausible Entscheidungen treffen, lediglich Matt Smith als Kindheitsfreund gibt seiner Figur interessante Facetten.

    Bis zur Verwandlung in den Fledermaus-Vampir, die im Übrigen von äußerst grässlicher CGI getragen wird, gelingt die Exposition des Streifens durchaus. Mit Beginn der uninspirierten Actionszenen gerät jedoch jede Möglichkeit einer reizvollen Hintergrundgeschichte aus den Fugen. Und was wäre alles möglich gewesen? Ein individuelles Psychogramm mit innerem Kampf um die Identitätshoheit, ein wirklich zerrissener Mensch zwischen Freundschaft und Liebe, eine Verbindung zu seinem früheren Arzt, eine gesellschaftliche Parabel oder zumindest ein interessanter Action-Film mit kreativen Einstellungen und innovativen Ideen. Wir suchen all dies vergeblich. Die Vampire springen durch die Gegend und hinterlassen eine Art Zauberstaub, unnötige Zeitlupen fokussieren die groteske CGI und eine interessante Figurenkonstellation wird nicht gezeichnet.

    Fazit: „Morbius“ will düster sein, ernsthaft und seriös wirken, enttäuscht aber auf ganzer Linie. Das Drehbuch ist eine einzige Unzulänglichkeit, die Charaktere sowie deren Beziehungen untereinander sind nicht ausgereift und klischeehaft-unerheblich. Für die Zukunft wurde durch am Film Beteiligte betont, dass sie sich Crossover mit Spider-Man und Venom vorstellen können. Die klare Einschätzung dazu: Bitte nicht!
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    (André Masannek)
    31.03.2022
    21:36 Uhr
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