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  • Bewertung

    Was, wenn du nichts mehr zu verlieren hast?

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2020
    Lorenzo will ein letztes Mal Drogen aus seiner Heimat, den Niederlanden, nach Marseille schmuggeln, um sich und seinem Bruder, nach dessen Entlassung aus dem Gefängnis ein sorgenfreies Leben zu sichern. Aber schon an einer der ersten Raststätten, drängt sich ihm plötzlich die Tramperin Chloe auf, die Yousef im Schlepptau hat. Sie durchschaut schnell Lorenzos Vorhaben und erpresst ihn, dass er sie mitnimmt nach Marseille, indem sie droht, ihn bei der Polizei zu verpfeifen. Chloe ist schwanger und deshalb auf dem Weg nach Barcelona. Was mit dem Ungeborenen genau geschehen soll, bleibt unklar, hängt aber stets als vage Bedrohung im Hintergrund. Youssef ist selbstmordgefährdet und versucht durch die Reise vor seinen Problemen zu flüchten.
    Was zunächst wie ein klassisches Road-Movie beginnt, wird zu einer empfindlichen Studie darüber, wie groß das Glück sein kann, wenn man in einer unverhofften Situation Freundschaft erfährt.

    „Paradise Drifters“, der auf der Berlinale in der Sparte Generationen 14plus lief, wird erzählt in episodenhaften Szenen, getrennt durch harte Cuts und Schwarzblenden. Auch wenn die Figuren zu Beginn etwas stereotyp wirken, ist es keine gewöhnliche Geschichte, die hier erzählt wird. Das Bild ist körnig und der Fokus verschwimmt häufig. Der Film spielt mit der extrem knappen Informationsvergabe. So bleibt viel Raum für eigene Interpretationen und Spekulationen. Wertfrei wird von heftigen Lebensumständen und Schicksalen erzählt. Die Aufnahmen in den Randbezirken von Marseille und später Barcelona zeigen die sonst sehr touristischen Städte in einem nicht so romantischen, dafür aber umso aufregenderen Licht.

    Dem Regisseur Mees Peijnenburg ist ein Film gelungen, der an die Substanz geht. Das liegt nicht zuletzt an der beeindruckenden Leistung der jungen Schauspieler, welche die Hauptfiguren verkörpern. Ihre Charaktere durchlaufen keine klassische Entwicklung, vielmehr entpuppen sie sich im Laufe des Films als facettenreicher als zunächst angenommen. Es entsteht eine Nähe zwischen den Protagonisten, die ohne jeden Kitsch auskommt und die zur Essenz des Films wird. Auch wenn die Dinge nicht besser sind als zuvor, ist geteiltes Leid eben doch nur halbes Leid.
    (Felix Geiser)
    09.03.2020
    08:38 Uhr