Filmkritik zu Nackte Tiere

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  • Bewertung

    Ungeschönter Debütfilm aus der Provinz

    Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2020
    In ihrem Langfilmdebüt wandelt die deutsche Jungfilmemacherin Melanie Waelde in der deutschen Provinz, in der sie den eintönigen Alltag ihrer Figuren Katja, Sascha, Benni, Laila und Schöller einfängt. Die Langeweile und Verlassenheit des Nests drückt sich in seinen monoton-grauen Alltagsellipsen auf den Zuschauer nieder. Der einzige Existenzzweck für Katja (Marie Tragousti), der die Handlung primär folgt, pendelt zwischen dem morgendlichen Schulbesuch, notwendiges Standbein um hier irgendwann einmal raus zu kommen und dem nachmittäglichen Kampfsporttraining.

    Fäuste schwingen zu lassen ist so ziemlich die einzige Unterhaltung, die den Teenagern geboten wird. Und die einzige Sprache, in der sie manchmal ihre Gefühle ausdrücken können. Katja und ihr Kumpel Sascha prügeln sich schon mal im Schulgang oder in der kleinen Wohnung, die ihr Kumpel Benni alleine bewohnt. Die blauen Flecken werden abends gezählt, die Hand pro forma geschient, da kein Arzt drauf schauen darf, und wenn die Krankenschwester ihr eine Infobroschüre über Gewalt gegen Frauen zuschiebt, dann wird da schon mal im Gang drüber gelacht.

    Waeldes Film folgt keinem strengen Narrativ, er verweilt im Moment, lässt die Jugendlichen sich fernab der Eltern ausprobieren. Wenn überhaupt, werde Erwachsene nur als bedrohliche Instanzen in Szene gesetzt. Die Figuren testen ihre Grenzen zwischen Schule, Perspektivenlosigkeit, romantischen Begehren und Gras. Waelde geht es nicht um eine Verklärung jener besonderen Zeit, bevor man als junger Erwachsener in die Welt hinaustritt. Fast dokumentarisch lässt sie die Kamera im 4:3 Format und Autofokus nah an die Figuren heranrücken, verweilt in ihren Blicken und Gesten, und schafft somit eine Intensität, die jenseits jeglicher Verklärung funktioniert.

    Und doch schafft es der Film in manchen Momenten, seine Botschaft nicht ganz über die Ziellinie zu bekommen. So offen sind manche Beziehungskonstrukte, denen Waelde zwar Bedeutung verleiht, denen sie aber nicht den erklärerischen Raum gibt. Dadurch wird man als Zuschauer immer wieder aus dem Flow geschmissen, da man zu oft versucht zu verstehen, woher die Konflikte stemmen. Hat Katja Eltern oder nicht. Wie steht sie zu Lailas Mutter und dem kleinen Mädchen. Der Film öffnet einen rauen, ungeschönten Blick in die Existenz zwischen den Welten, entlässt den Zuschauer aber auch durch sein etwas abruptes Ende mit mehr Fragen als eindeutigen Emotionen.
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    (Susanne Gottlieb)
    22.02.2020
    15:13 Uhr
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