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  • Bewertung

    Eine gespaltene Gemeinde im Wandel der Zeit

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    Welche Gründe bewegen Bürgerinnen und Bürger dazu, eine Partei zu wählen, die offenkundig fremdenfeindliche Inhalte propagiert? Unterstützt ein/e jede/r Wähler*in der FPÖ denn tatsächlich deren hetzerisches Gedankengut? Oder handelt es sich bei manchen lediglich um „Protest-Wähler*innen“, die sich vom System hintergangen fühlen? Und woher rührt denn überhaupt die radikale politische Spaltung innerhalb der Gesellschaft?

    Fragen wie diesen ging bereits Uli Gladik im vergangenen Jahr mit ihrer Dokumentation „Inland“ nach, für die sie über mehrere Jahre hinweg FPÖ-Anhänger*innen aus Wien mit der Kamera begleitete. Einer ähnlichen Aufgabe nahm sich nun auch Regisseurin Elke Groen in ihrem neuesten Dokumentarfilm „Der schönste Platz auf Erden“ an. Im Gegensatz zum vorhin erwähnten „Inland“, der Österreichs Metropole Wien als Schauplatz zur Hand nahm, beschränkt sich Groen in ihrer Doku auf einen deutlich kleineren Mikrokosmos. Beim „schönsten Platz auf Erden“ – wie der Filmtitel das Örtchen ironisch bezeichnet – handelt es sich in diesem Fall nämlich um die burgenländische Stadtgemeinde Pinkafeld. Zwischen 2016 und 2019 verschlug es die Regisseurin immer wieder in das knapp 6000 Bewohner zählende Städtchen, aus dem ein besonders namhafter Österreicher stammt: FPÖ-Politiker Norbert Hofer. Groens Film setzt daher passenderweise genau im Jahr 2016 an – dem Zeitpunkt, an dem Hofers Wahlkampf gegen den amtierenden Bundespräsidenten Alexander van der Bellen gerade auf Hochtouren lief. In seinem Heimatort scheint dem rechtspopulistischen Politiker besonders viel Unterstützung entgegengebracht zu werden und das obwohl in der Gemeinde eigentlich die SPÖ regiert. „Ich unterstütze zwar nicht alle seine Ansichten, aber er ist ‚einer von uns‘“ heißt es in etwa, als Groen ansässige Bürger*innen auf die bevorstehende Wahl anspricht. Selbst der eigentlich rote Bürgermeister würde Hofer aufgrund seines Zugehörigkeitsgefühls im Ort unterstützen behauptet ein älterer Herr. Aufgrund Hofers Herkunft und dessen Beliebtheitsgrad in seiner Heimat wird Pinkafeld nicht selten ins rechte Eck gedrängt oder gar als ‚Nazistadt‘ abgestempelt. Eine Aussage, der man laut einigen befragten Bewohner*innen kaum Glauben schenken sollte. Je tiefer Groen in ihrer Doku jedoch in das unter die Lupe genommene Milieu abtaucht, desto mehr rückt das Abbild einer von Hass und Angst gezeichneten Bevölkerung an die Oberfläche. Mit objektivem Blick auf die Dinge zeigt die Dokumentarfilmerin den Alltag einer durch Populismus gespaltenen Gesellschaft, die sich von der Politik des Landes hintergangen fühlt.

    Groen stellt die Personen, die sie über drei Jahre hinweg mit der Kamera begleitete aber nicht simpel als Lachobjekte zur Schau, sondern bewahrt durch ihre ungekünstelte und wenig effekthaschende Inszenierung stets die Menschlichkeit ihrer Protagonist*innen. Die Regisseurin selbst meldet sich nur selten zu Wort und bleibt möglichst sachlich. Lediglich in Momenten, in denen ihre Interviewpartner*innen faktisch falsche Kommentare von sich geben, gibt Groen ihren eigenen Senf dazu. Als beispielsweise ein Mann älteren Semesters behauptet Einwanderungsstatistiken des Bundesministeriums wären vollkommen erfunden, versucht Groen dem entgegenzuwirken, in dem sie den sturen Herren fragt, wie er denn überhaupt zu diesem Schluss käme. Besonders viel Zeit verbringt der Film mit einer selbstbewussten Bäuerin, die die Ängste ihrer Mitbürger zwar absolut nachvollziehen kann, dem voranschreitenden Rechtsruck jedoch auch kritisch gegenübersteht und ihre Ansichten standhaft mit wohlüberlegten Argumenten vertritt.

    Die Doku bleibt aber nicht auschließlich an den von Angst und Rassismus gezeichneten Bürger*innen der Stadtgemeinde hängen, sondern konzentriert sich streckenweise auch auf ebendiese, gegen die durch fremdenfeindliche Politik im Lande überhaupt erst Hass geschürt wurde. Unter anderem widmet sich Groen mehrfach einem gebürtigen Roma, der eine beliebte Disco im Ort besitzt und einst die Fremdenfeindlichkeit am eigenen Leibe miterleben musste. Wie der Mann an einem Moment im Film meint, suchen sich Österreicher*innen immer wieder einen neuen Sündenbock heraus und der Hass, der einst Roma und Sinti entgegengebracht wurde, sei durch Politik seitens rechtspopulistischer Parteien mittlerweile auf Geflüchtete abgefärbt.

    Ebenso begleitete Groen eine im Ort ansässige Flüchtlingsfamilie aus Syrien, die von der im Ort präsenten Animosität ihnen gegenüber nicht vollkommen verschont bleibt, aber sich als überaus dankbar dafür zeigt überhaupt dort wohnen zu können.

    Im Großen und Ganzen bleibt mit „Der Schönste Platz auf Erden“ ein faszinierender dokumentarischer Einblick in einen von politischer Hetze zerfressenen kleinen Mikrokosmos inmitten des kleinen Burgenlandes übrig. Drei Jahre lang – angefangen bei der Bundespräsidentenwahl im Jahre 2016 hin zu den letztjährigen Entwicklungen in Folge des Ibiza- Skandals – gab Elke Groen genau den Personen ein Sprachrohr, die sonst selten die Möglichkeit dazu bekommen, und kreiert ein vielschichtiges Abbild einer gespaltenen Gesellschaft, die den Wunsch nach Zusammenhalt aber noch nicht endgültig aufgegeben hat.
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    (Christian Pogatetz)
    24.03.2020
    21:36 Uhr