Filmkritik zu Hexen hexen

Bilder: Warner Bros Fotos: Warner Bros
  • Bewertung

    Hexenfadesse nach Roald Dahl

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Roald Dahl zu adaptieren war nie einfach. Zu spezifisch sein durchaus düsterer Humor, zu exzentrisch der eine oder andere Schauplatz oder Charakter. Dennoch sind über die Jahrzehnte einige respektable Filmklassiker aus seinen Seiten entsprungen – auch wenn der Altmeister selber nie mit dem Endresultat zufrieden war. Das gleiche gilt für die 1990er-Version von „The Witches“ (Hexen hexen) mit Anjelica Huston, Rowan Atkinson und Mai Zetterling. Besonders Huston blieb als Oberhexe, zugekleistert in Puppen- und Animatroniceffekten des begnadeten Jim Henson, lange im Gedächtnis. Man kann sagen, ihr bestechendes Aussehen und der typische morbide Interpretationsstil ihrer Darstellung traumatisierte eine ganze Generation an Kindern.

    Nun versucht sich Robert Zemeckis, einst Erfolgsgarant mit Filmen wie „Zurück in die Zukunft“, „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ oder „Forrest Gump“ an dem Stoff. Ein erster Warnhinweis, immerhin versucht Zemeckis seit 20 Jahren wieder zu alter Form zu finden. Seine Verliebtheit in überkandidelte CGI auf Kosten einer durchdachten Geschichte machen ihn zu einem Paradebeispiel der verlorenen Entertainer vergangener Jahrzehnte.

    Und doch, prominente Unterstützung sitzt im Boot. Aber auch ein Guillermo del Toro als Co-Drehbuchautor und ein Alfonso Cuarón als Produzent helfen der Sache nicht. Gerade von Guillermo del Toros feinfühligen fantastischen Welten ist in dieser Interpretation sehr wenig zu entdecken. Es wirkt als hätte Warner Bros hier von Beginn an den Rotstift angesetzt um jegliche düstere, komplexere Elemente der Handlung sofort zu eliminieren.

    Das muss nicht unbedingt Zemeckis’ Schuld sein. Dieser Trend, Kinderfilme möglichst harmlos, schlimmstenfalls ein wenig tragisch zu machen, existiert im amerikanischen Mainstream schon länger. Aber was bleibt dann noch von „The Witches“, wenn der ganze traumatisierende Horroreffekt entfernt wird? Kurzum, nur mehr der Schatten, die absoluten Eckpunkte seiner Essenz.

    Es gibt nach wie vor einen Jungen (Jahzir Kadeem Bruno), der mit seiner Großmutter (Octavia Spencer) nach der ersten gruseligen Begegnung mit einer Hexe in einem Hotel absteigt, nur um dort unerwartet geradewegs in den alljährlichen Hexenkongress zu stolpern. Er wird von der Oberhexe (eine groß aufspielende und daher durchaus verschwendete Anne Hathaway) nach wie vor in eine Maus verwandelt, als er mit anhört, dass der Zirkel alle Kinder weltweit in Nager verwandeln will. Und er fasst gemeinsam mit anderen in Mäuse verwandelten Kindern sowie seiner Großmutter einen Plan um den Hexen endgültig das Handwerk zu legen.

    Dieser Actionplan bietet jedoch wenig Figurenentwicklung und dramatische Zuspitzungen. Viel mehr verläuft alles zu glatt, zu einfach. Zemeckis hetzt geradezu von Szene zu Szene, als Zuseher steigt man dabei mit seinem emotionalen Investment aus. Die emotionale Verbindung von Großmutter und Junge wird zwar in der ersten Hälfte noch rührend in Szene gesetzt, die anderen Figuren verblassen jedoch mit Fortschritt der Handlung. Unter den Hexen bekommt gerade einmal Hathaway genug zu tun, um sich aus der Masse an Hexen hervorzuheben.

    Nicht nur verzichtet der Film auf seine gruseligen Elemente (man vergleiche die kleine Erika-Storyline in Nicholas Roegs Film mit der kleinen Alice hier), er nutzt auch in keinster Weise seine gewiefte Verlegung vom englischen Bornemouth ins Alabama der 60er. Hexen würden nur arme Leute entführen, weil diese niemand vermissen würde, so die Großmutter an einem Punkt. Der Film setzt wiederholt den rassistisch diskriminierenden Süden der USA in Szene, zeigt segregierte Schwarzenviertel voller Armut sowie schicke Hotels voller Weißer, traut sich aber ebenso wenig diese sozialen Kommentare vollends zu entwickeln.

    Alles ist im zu provokativ, zu anfällig für frühkindlichen Diskurs könnte man meinen. Zemeckis und Warner Bros wollen hier einfach gute, simple kiddiefreundliche Unterhaltung schaffen. Wer „The Witches“ aber kennt weiß genau, das ist die Geschichte aber in keinster Weise. Das einzige, was der Film sich zugesteht, ist, dass sein Ende näher an dem von Dahl geschriebenen ist. Dieser hatte ja zumindest den Schluss des 1990er-Films abgrundtief gehasst.
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    (Susanne Gottlieb)
    29.10.2020
    16:12 Uhr
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