Filmkritik zu Tenet

Bilder: Warner Bros Fotos: Warner Bros
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    Die Zeitumkehr und ihre Folgen

    Exklusiv für Uncut
    Wenn Christopher Nolan sein neuestes Machwerk präsentiert, wird das innerhalb der Filmwelt natürlich mit großer Spannung erwartet. Ganze drei Jahre mussten seine Fans darauf warten, bis sie nach „Dunkirk“ abermals in die Kinos pilgern konnten, um dem Starregisseur zu huldigen. Covid-19 und die daraus resultierende Kinoauszeit hätten diesem Vorhaben fast einen Strich durch die Rechnung gemacht; nun kommt es allerdings endlich zum – wenn auch etwas verzögerten – Kinostart.

    Ein namenloser Agent (John David Washington) – der später lediglich als „der Protagonist“ bezeichnet wird – erhält einen Auftrag der geheimnisvollen Organisation „Tenet“: Er soll den russischen Oligarchen Sator (Kenneth Branagh) davon abhalten, den Dritten Weltkrieg zu entfachen. Unterstützung bekommt er dabei von Sators Ehefrau Kat (Elizabeth Debicki), die schon länger aus ihrer Ehe auszubrechen versucht, sowie von seinem mysteriösen Kollegen Neil (Robert Pattinson). Womit der Protagonist allerdings nicht gerechnet hat: Sator macht sich das Prinzip der Inversion zunutze und entwickelt so eine fatale kriegerische Taktik, die mit unserem normalen Zeitempfinden bricht.

    Und das sieht dann folgendermaßen aus: Die geradlinige zeitliche Dynamik wird aufgebrochen, Menschen sowie Autos bewegen sich rückwärts und Einschlusslöcher nehmen Schüsse aus den Waffen vorweg. Dass dieses Rückwärtsdenken bereits beim
    Titel des Films beginnt, scheint mit der Nennung eines Palindroms kein Zufall zu sein.

    Was auf den ersten Blick als äußerst interessante Idee erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick dann doch etwas unausgereift. Die eigentlich komplexe Handlung scheint aufgrund der Verortung des Films im Genre des Actionblockbusters etwas auf der Strecke geblieben zu sein. Hinzu kommen ständige unnötige Ortswechsel sowie ein ziemlich abgehackter Anfang und ein äußerst gehetztes Ende – was bei einer Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden eigentlich mehr als überrascht. Wenn dann ein logischer Nachvollzug des Gezeigten aufgrund fehlender Erklärungen nur unter großer Mühe gelingt, ist die Verwirrung komplett und der Erzählfluss demnach auch etwas gedrosselt. Auch das Potential seiner Darsteller scheint Nolan nicht vollends ausgeschöpft zu haben, wobei v.a. Washington und Pattinson ihr Möglichstes dazu beitragen, ihren eindimensionalen Charakteren etwas Leben einzuhauchen. Kenneth Branagh als russischer Bösewicht erscheint hingegen eher skurril.

    „Tenet“ hat aber auch seine guten Seiten. Gerade die Actionszenen sind äußerst gekonnt inszeniert. Für den Ton war dieses Mal nicht der Altmeister Hans Zimmer (der gerade mit Villeneuves „Dune“ beschäftigt ist) verantwortlich, sondern der junge Schwede Ludwig Göransson. Dessen unkonventioneller, bombastischer Soundtrack trägt sein Nötiges dazu bei, dass man sich auf einer visuellen und auditiven Achterbahnfahrt voller imposanter Verfolgungsjagden und actiongeladener Kampfszenen widerfindet.

    Als reines Actionkino macht sich „Tenet“ ganz gut; als tiefgründiges SciFi-Epos, für welches sich der Film ausgibt, hat Nolans neuestes Werk leider etwas zu viele dramaturgische Schwächen aufzuweisen.

    Mit einer Länge von knapp zweieinhalb Stunden hätte der Film auch sicherlich an so mancher Stelle gekürzt werden können – ich dachte schon vierzig Minuten vor dem eigentlichen Ende, dass nun ein guter Zeitpunkt für dieses gekommen zu sein schien – allerdings tut dies dem Adrenalinkick, dem man hier ausgesetzt wird, immerhin keinen Abbruch.