Bilder: Koch Films Fotos: Koch Films
  • Bewertung

    Kosmischer Horror-Trip mit Nicolas Cage

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Der 1937 verstorbene US-Amerikaner H. P. Lovecraft gilt gemeinhin als einer der wichtigsten und einflussreichsten Horror-Autoren der Literaturgeschichte. Als dieser im Jahre 1929 die Kurgeschichte „Color Out of Space“ (hierzulande: „Die Farbe aus dem All“) veröffentlichte, hätte sich wohl niemand ausgemalt, dass dieses abstrakte Werk überhaupt je als Film adaptiert werden könnte. 90 Jahre später bringt der südafrikanische Filmemacher Richard Stanley, der hiermit übrigens seinen ersten Spielfilm seit über 20 Jahren gedreht hat, nun aber die bereits vierte Verfilmung des abstrusen Stoffes auf den Markt.

    Die neue Leinwand-Adaption, die erst vor wenigen Wochen am Toronto International Film Festival ihre Weltpremiere feierte, erzählt von der Familie Gardner, die vor nicht allzu langer Zeit auf einen Bauernhof inmitten einer ländlichen Region in New England gezogen ist. Zur Familie gehören der Vater Nathan (Nicolas Cage), der seiner Farm erst kürzlich Alpakas beschaffen hat, seine sorgsame Ehefrau Theresa (Joely Richardson) sowie ihre drei Kinder Lavinia (Madeleine Arthur), Benny (Brendan Meyer) und Jack (Jack Gardner). Die ländliche Idylle wird jedoch durchbrochen, als eines Tages ein Meteorit auf ihrem Anwesen einschlägt und eine Kette obskurer Vorfälle loslöst. Schon bald infiziert der scheinbare Meteorit das Wohngebiet der Familie mit einer außerirdischen glühenden Farbe, die all das, was mit ihr in Berührung kommt, mutieren lässt.

    Der Plot des Ganzen lässt sich nur schwer in Worte fassen - so abgespaced und schlichtweg absurd kommt die Geschichte nämlich daher. Regisseur Stanley zelebriert den Wahnsinn und die Exzentrik der Prämisse jedoch aufs Vollste und bietet dem Publikum ein immersives Kinoerlebnis, das in seiner über-stilisierten Inszenierung vielmehr einem Trip gleicht, als einem Film im klassischen Sinne.

    Dabei lässt Stanley seinen Film noch so bodenständig anfangen und etabliert zunächst einmal mit aller Ruhe die Familienmitglieder und restlichen Figuren des Films. Je mehr seltsame Dinge jedoch in Folge des Meteoriten-Einschlags vorfallen, desto mehr gibt sich die Lovecraft-Verfilmung ihres Wahnsinns hin, der sowohl in herrliche Unterhaltung als auch effektive Schockmomente resultiert.

    Einen großen Beitrag leistet dafür mit Sicherheit Nicolas Cage, der nur ein Jahr nach dem fantastischen LSD-Blutrausch „Mandy“ mal wieder seinem exquisiten Exzentrikergemüt freien Lauf lassen darf. Selbst während sich sein Charakter zu Beginn noch relativ geerdet verhält, macht es da bereits großen Spaß, Cage unter anderem dabei zuzuschauen, wie dieser ein Alpaka melkt. Als sein Charakter dann langsam aber sicher (gemeinsam mit dem Publikum) die Wahnsinns-Spirale des Films hinabfällt, läuft der König des Overactings zur absoluten Höchstform auf. Es sei jedoch anzumerken, dass Cage insgesamt etwas kürzer zu sehen ist, als sich vermutlich der ein oder andere erwarten wird. Hervorzuheben wären ansonsten noch Madeleine Arthur als die von Hexenkraft faszinierte Teenager-Tochter Lavinia sowie Stoner-Legende Tommy Chong, der in einer kleinen Nebenrolle als im Wald beheimateter Hippie, der einer karikierten Version seines wahren Ichs gleicht, für Lacher sorgen darf.

    Der eigentliche Horror von Stanleys Buch-Verfilmung lässt sich schwer kategorisieren. Mal wird dieser durch zwischenmenschliche Spannungen erzeugt, gegen Ende aber dann durch nahezu Cronenberg-esquen und durchaus ekelerregenden Body-Horror der feinsten Sorte. Dabei nimmt sich der Film an vielen Stellen gar nicht ernst und ist sich seines Over-the-Top-Gemüts, das oft zu Komik führt, vollkommen bewusst.

    Was die Neuverfilmung der Horror-Novelle aber schlussendlich zum unvergesslichen Erlebnis macht, ist die außergewöhnliche visuelle Aufmachung. Insbesondere die psychedelischen Momente im glorreichen (wenn auch etwas unübersichtlichen) Finale saugen einen in ihrer ästhetischen Farbpracht, die von betörenden Synthie-Klängen begleitet wird, regelrecht auf. Da kann auch mal gerne über den ein oder anderen misslungenen Digitaleffekt hinweggesehen werden.

    Alles in allem muss man wohl sagen, dass Richard Stanleys „The Color out of Space“ mit Sicherheit die Gemüter spalten wird. Wer sich jedoch auf knapp zweistündigen kosmischen Horror, der immer mehr in überstilisierten Wahnsinn kippt, einlassen kann, wird mit einem sensorischen Erlebnis der Sonderklasse belohnt.

    Lovecraft wäre wohl stolz!
    1705313743158_ee743960d9.jpg
    (Christian Pogatetz)
    27.09.2019
    08:09 Uhr