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    Zu zahm geratenes Maradona Porträt

    Exklusiv für Uncut vom Karlovy Vary Film Festival
    Oscargewinner und „Amy“- und „Senna“-Regisseur Asif Kapadia präsentierte heuer in Cannes seinen neuen Found-Footage-Dokumentarfilm „Diego Maradona“, der auch im Programm des diesjährigen Karlovy Vary Film Festivals läuft. Das Leben des argentinischen Fußballers, der auf dem Feld ein Genie und abseits ein selbstzerstörerischer Rebell war, ist eigentlich ein ideales Subjekt für einen spannenden Film. Nach seinen vorangegangenen Erfolgen schien Kapadia auch der ideale Kandidat für so ein Unterfangen. Doch trotz seiner Bildgewalt ist „Diego Maradona“ etwas zahmer geworden, als gut für ihn war.

    Kapadia konzentriert sich in dem Film auf Maradonas Karriere bis in die Mitte der 90er. Dabei verwendet er wie gewohnt alte Fernsehaufnahmen, die er geschickt neu arrangiert und inszeniert. Viele Bilder sind bekannt, wie etwa die legendären Tore der WM. Untermalt werden die Aufnahmen abermals von Voice Overs von verschiedenen Zeitzeugen so wie, ungleich der davor verstorbenen Amy oder Senna, von Maradona selber.

    Wie gehabt fügt der Regisseur auch einiges an unbekanntem neuem Material hinzu, aber es besitzt nicht die Bandbreite, die „Amy“ oder „Senna“ den Zusehern näherbrachte. Dem Film fehlen neue umwerfende Erkenntnisse oder tiefe persönliche Einsichten. Die kritischeren Elemente von Maradonas Biographie umschifft der Film zudem meist mehr oder weniger elegant.

    Aus dem persönlichen Archivs Maradonas bietet der Film Aufnahmen des argentinischen Kameramanns Juan Laburu und des Italieners Luigi Martucci, die angeheuer wurden in frühen Jahren Maradona auf Schritt und Tritt zu folgen. Dem Zuseher offenbaren sich Bilder von Massenhysterie in den Straßen von Buenos Aires und Neapel, legendäre Tore, Nachtclubszenen, Lobhudelei, Gangster, Gespielinnen, Schwangerschaften und Leugnungen, Gewichtzunahmen, dramatische Pressekonferenzen und natürlich viel Koks.

    Ausgehend von den frühen Jugendjahren in dem heruntergekommenen Ort Villa Fiorito und den Argentinos Juniors im Alter von 15, über die kurze Zeit in Barcelona in den frühen 80ern bis zu den goldenen Jahren in Neapel, wo seine Erfolge ihm zum Helden und einen lebenden Heiligen krönten ist alles dabei. Ob als Partykumpane der lokalen Camorrista Mobsters oder als Opfer norditalienischer Slurs die den „Südländern“ „wascht euch“ ins Gesicht riefen, die Wogen der frühen Karriere gehen auf und ab.

    Für Fußballfans bietet der Film daher all die wichtigen Stadien die man von einer Diego Maradona Biographie erwartet und lässt das Herz in den entscheidenden Momenten der WM 1986 nochmals höher schlagen. Für all jene, die mit Fußball weniger am Hut haben, wird der Film jedoch einen gewissen Mangel in seiner psychologischen und politischen Aufarbeitung des Helden bieten. Maradonas Interviews offenbaren sehr wenig und auch die Auswahl an Material ist sehr selektiv. Während Kapadia sich sehr auf die Karrierehöhepunkte konzentriert bleiben seine Kokssucht, sein Umgang mit Prostituierten und seine Verbindung zur lokalen Mafia nur peripher erwähnt.

    Ebenso sind die Frauen in seinem Leben, Ex-Frau Claudia Villafane und die Geliebte Cristiana Sinagra nur Randgestalten. Die späteren Jahre als Trainer und Manager in Argentinien, Dubai und Mexiko bleiben komplett außen vor. Ebenso verschweigt Kapadia Maradonas politische Statements und seine Freundschaften mit linken lateinamerikanischen Politikern wie Fidel Castro, Hugo Chavez und Nicolas Maduro. Dieses Verschweigen macht den Film schwächer und verhindert, dass er zu einem stimmigen Gesamtporträt wird.

    „Diego Maradona“ wirkt somit wie ein schwächerer Film als seine Vorgänger, was vermutlich auch daran liegt, dass das Sujet ungleich „Amy“ und „Senna“ noch am Leben ist und zufriedengestellt werden musste. Dadurch entwickelt sich eine Biographie, die zwar unterhaltet, aber weniger ist als was sie hätte sein können.
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    (Susanne Gottlieb)
    30.08.2019
    13:37 Uhr
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