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    Kristen Stewart brilliert in halbgarer Spionage-Biografie

    Exklusiv für Uncut
    Vielen filmaffinen Zuschauer*innen dürfte der Name Jean Seberg wohl als einer der großen Ikonen der französischen Nouvelle Vague ein Begriff sein. Die US-amerikanische Filmdarstellerin wurde Anfang der 60er-Jahre mit ihrer wortwörtlich atemberaubenden Darbietung in Jean Luc-Goddards Meisterwerk „Außer Atem“ einem internationalen Publikum bekannt. Was folgte war eine geschätzte Schauspielkarriere, die sich trotz ihrer US-Wurzeln größtenteils im europäischen Kino abspielte. Welch ein Leid der vielbeschäftigten Schauspielerin bis zu ihrem (vermutlich auf Suizid zurückgehenden) Tod im Jahre 1979 widerfahren war, ist den meisten jedoch wahrscheinlich nicht bewusst. Nachdem die damals junge Frau nämlich Ende der Sechziger offen die revolutionäre sozialistische „Black Panther Party“ unterstützt hatte, geriet sie von einem auf den anderen Tag ins Visier des FBI. Fortan war ihr restliches Leben von Überwachung bestimmt, die in einer von J. Edgar Hoover, dem allerersten Direktor des FBI beorderten Schmutzkampagne ihren Ursprung fand. Unter dem simplen Titel „Seberg“ (hierzulande „Jean Seberg - Against All Enemies“) hat Regisseur Benedict Andrews diesen tragischen Lebensabschnitt der viel zu früh verstorbenen Schauspielikone filmisch wieder aufleben lassen. Für die titelgebende Hauptrolle der Jean Seberg wurde Ex-„Twilight“-Star Kristen Stewart engagiert, die einst noch wegen ihrer vermeintlich ausdruckslosen Mimik belächelt worden war, mittlerweile aber - ähnlich wie ihr damaliger Kollege Robert Pattinson – schon mehrfach ihr durchaus vorhandenes Talent als Schauspielerin unter Beweis stellen konnte. Auch hier darf Stewart mal wieder zur darstellerischen Höchstform auflaufen. Der Film, der ihr eindrucksvolles Spiel umgibt, überzeugt aber leider kaum.

    Bevor es aber ans Eingemachte gehen soll, muss zunächst natürlich noch eine Frage beantwortet werden: worum geht es denn nun überhaupt genau?

    Der biografische Thriller setzt Ende der 60er-Jahre in dem Moment an, an dem Jean Seberg (Stewart) sich nach ihren vorangegangenen Erfolgen in Europa an einem Hollywood-Comeback versucht. Als die junge Schauspielerin in Kontakt mit jungen Aktivisten der umstrittenen „Black Panther“-Bewegung kommt und später gar eine kurz andauernde Liebelei mit deren damaligen Sprachrohr Hakim Jamal (Anthony Mackie) anfängt, hat das einen logischen Skandal zur Folge. Womit Seberg jedoch nicht gerechnet hat, ist, dass sie aufgrund ihrer Beziehungen zur Aktivistengruppe plötzlich vom FBI beschattet werden würde, die die junge Frau sogar als 'gefährlich' einstufen. Der ambitionierte FBI-Agent Jack Solomon (Jack O’Connell) wird damit beauftragt, die Schauspielerin fortan zu überwachen. Ein äußerst fragwürdiges Unterfangen, das noch reichlich negative Folgen für Sebergs Psyche nach sich ziehen sollte.

    Benedict Andrews inszeniert den vielversprechenden Stoff nicht wie erwartet als reines Biopic, sondern vielmehr als Spionage-Thriller. Ein nicht gänzlich uninteressanter Ansatz, der in der Ausführung aber kaum zu funktionieren weiß. Wenn Jean Seberg beispielsweise die Dauerüberwachung und -verfolgung des FBI am eigenen Leib erlebt, blitzt schon der ein oder andere effektive Spannungsmoment auf. Diese sind in der Regel aber leider nicht von langer Dauer.

    Tatsächlich ist es Hauptdarstellerin Kristen Stewart, die den Film nahezu zur Gänze auf ihren Schultern trägt, und immerhin leicht aus seiner gähnend langweiligen Mittelmäßigkeit herausretten zu vermag. Die einst verkannte Schauspielerin glänzt mit einer unerwartet subtilen Performance, die glaubhaft das Abbild einer nach außen hin starken, aber innerlich von Dämonen geplagten jungen Frau, erzeugt. Die voranschreitende Paranoia Jean Sebergs, die das Leben und die Psyche der jungen Schauspielikone maßgeblich beeinträchtigte, verkörpert Stewart mit einer durch und durch überzeugenden Natürlichkeit, die zu keiner Sekunde in eine Karikatur kippt. Stewart schafft es, ihrer Figur mehr Facetten und Persönlichkeit abzugewinnen, als es das simpel-gestrickte Skript überhaupt zulassen würde.

    Das große Problem ist nämlich der fragwürdige Fokus, den das Drehbuch wählt, um sich seinem Sujet anzunähern. Anstatt – wie es natürlich eigentlich der Fall sein sollte – den Großteil der Lauflänge der titelgebenden Protagonistin zu widmen, verliert sich der Film in einem uninteressanten Subplot über Jack Solomon, dem von Jack O’Connell (viel zu theatralisch) gespielten FBI-Agenten, der Seberg beschatten soll. Die Gewissensbisse, mit denen der angeblich ‚gutmütige‘ Agent (der im echten Leben offensichtlich nie existierte) zu kämpfen hat, mögen auf dem Papier zwar für spannendes Konfliktpotenzial sorgen, wirken in der Umsetzung aber platt und fehl am Platz. Generell hat der Film an seinen klischeebeladenen Charakterisierungen zu leiden, die bei nahezu jeder Figur außer Jean Seberg selbst sichtbar werden. Besonders auffallend wird dies mit dem Auftauchen von Margaret Qualley, die Jacks sorgsame junge Frau Linette verkörpert und deren Figur lediglich dem Zweck dient, dessen Gewissen zu verkörpern. Leider verkommt beinahe eine jede auftretende Person zur reinen Karikatur – da können auch an sich solide Schauspielleistungen seitens Zazie Beetz und Anthony Mackie wenig aushelfen.

    Neben all der erwähnten Kritikpunkte kann aber mindestens noch die Kameraführung von Rachel Morrison, die dem Film einen ansehnlichen und schön ausgeleuchteten Look beschert, positiv hervorgehoben werden. Abseits dessen ist leider viel Potential links liegen gelassen worden. Man hätte ein in vielerlei Hinsicht spannendes Porträt einer von den Medien zu Unrecht verteufelten Schauspielerin, die an der von staatlicher Überwachung verursachten Paranoia langsam zugrunde geht, auf die Leinwände zaubern können. Aber nein: was bleibt ist ein banaler Spionage-Thriller, der nicht weiß, wer seine Hauptfigur sein soll, und durch stereotype Figurenzeichnungen jegliches Maß an Authentizität einbüßt.

    Kristen Stewarts großartige Schauspieldarbietung hätte einen deutlich besseren Film verdient!
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    (Christian Pogatetz)
    13.09.2020
    20:57 Uhr