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Äußerst brisant erschien die Vergabe des Großen Preises der Jury bei den Filmfestspielen von Venedig, handelte es sich bei dem Gewinner doch um niemand geringeren als Roman Polanski – dem gefeierten Filmregisseur, dessen Name seit fast 40 Jahren ebenso mit einer Straftat in Verbindung gebracht wird, aufgrund dessen er sich damals ins französische Exil absetzte. Nichtsdestotrotz ist er für einige Meisterwerke der Filmgeschichte verantwortlich und auch anhand von „J’accuse“ beweist er erneut sein Können als hochgelobter Filmemacher. Nach einem Roman von Robert Harris brilliert in der Verfilmung der Dreyfus-Affäre Jean Dujardin in der Rolle des Aufklärers Picquart.
Das Jahr 1894 stellt den Ausgangspunkt der sogenannten Dreyfus-Affäre dar, die sich zu einem der größten Justizskandale des 19. Jahrhunderts entwickeln sollte: Der junge Offizier Alfred Dreyfus (Louis Garrel) wird zu lebenslanger Haft auf die Teufelinsel verbannt, nachdem er angeklagt wurde, für die Deutschen spioniert zu haben. Nachdem der neue Leiter der Spionageabwehrbehörde Marie-Georges Picquart (Jean Dujardin) allerdings herausfindet, dass es sich bei dem gesuchten Spion unmöglich um Dreyfus handeln konnte, kommt er einem Vertuschungsmanöver auf die Schliche, bei dem auch zahlreiche Beamte aus den höheren Rängen involviert sind. Ein Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit beginnt, im Zuge dessen der bekannte französische Schriftsteller Émile Zola (André Marcon) 1898 einen öffentlichen Brief verfasste, in dem er die Beteiligten anklagte, Amtsmissbrauch betrieben zu haben, die auf Ungerechtigkeiten, Vorurteilen und unzähligen Vertuschungen basierten. Der Titel des Briefes: „J’accuse…!“ (Ich klage an…!).
Auf den ersten Blick wirkt Polanskis Dramatisierung der Dreyfus-Affäre wie ein ziemlich durchschnittliches historisches Kriminaldrama. Auf den zweiten Blick erweist es sich allerdings als viel mehr als das. Die realen Ereignisse rund um die Dreyfus-Affäre werden nämlich in einen äußerst spannend inszenierten Justizthriller verpackt, der immer zwischen Gerichtsdrama und Gesellschaftskrimi pendelt. Auf subtile Art und Weise gelingt es Polanski darüber hinaus ein Bild einer antisemitisch geprägten Gesellschaft zu zeichnen, dessen politischer Kommentar gerade auch in der heutigen Zeit nicht an Relevanz verloren hat.
Der hervorragende Cast – bei dem vor allem Jean Dujardin in der Hauptrolle hervorsticht – die Filmmusik von Alexandre Desplat und vor allem die eingängige Kameraarbeit tragen dazu bei, dass es sich bei „J’Accuse“ um ein wahres Sehvergnügen handelt, welches – trotz einer Länge von knapp über zwei Stunden - nie langweilig wirkt. Spannender war Geschichtsschreibung selten!
Wie man nun zu Polanski steht, sei jedem selbst überlassen und auch ob man die Privatperson von seinem künstlerischen Schaffen trennt. Aber eines steht schon fest: Filme machen kann er!