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  • Bewertung

    Die Weltsicht eines jungen Fanatikers

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Die Filme der Brüder Dardenne, ihres Zeichens Vertreter der Berliner Schule, zeichnen sich durch ihre gesellschaftspolitischen Themen sowie ihre subtile Gestaltung aus. Für ihren neuesten Film, „Le Jeune Ahmed“, bei dem sie sich dem kontrovers anmutenden Thema rund um die religiöse Radikalisierung eines belgischen Jugendlichen annahmen, gewannen sie den Regiepreis in Cannes.

    Ahmed (Idir Ben Addi) ist 13 Jahre alt und lebt mit seiner Mutter (Claire Bodson) und seinen Geschwistern in Belgien. Durch den Einfluss seines Imams, der äußerst umstrittene Auffassungen an den Tag legt, radikalisiert sich der Jugendliche immer mehr. Nachdem es zu einer Attacke gegenüber seiner Lehrerin (Myriem Akheddiou) kommt, wird Ahmed in ein Rehabilitationszentrum für Jugendliche geschickt. Im Zuge dessen arbeitet er auch auf einem Bauernhof, wo er das gleichaltrige Mädchen Louise (Victoria Bluck) kennenlernt, das sich für ihn zu interessieren scheint. Doch Ahmed hält immer noch an seinen Idealen fest - auch wenn das Leben die ein oder andere Versuchung für ihn bereithält.

    Jean-Pierre und Luc Dardenne konzentrieren sich in ihrem neuesten Film vor allem auf eines: den jungen Ahmed. In so gut wie jeder Szene steht er im Zentrum des Gezeigten, die Kamera fungiert hier als stiller Begleiter auf der nicht gerade idyllischen Reise des Jugendlichen. Die Narration ist dabei sehr sachlich gehalten, weshalb weder sonderlich viel Empathie aufkommen mag noch eine Identifikation mit dem Protagonisten stattfindet. Die Hauptfigur erscheint sehr einseitig und wenig ausgereift, was im Gegensatz zu anderen ProtagonistInnen aus den Werken der Dardennes steht, die gerade durch ihre vielschichtigen Persönlichkeiten hervorstachen. Bezweckt scheint eine Abkehr von Stereotypen gewesen zu sein, in denen junge religiöse Fanatiker als wütend, laut und aggressiv dargestellt werden. Das Regie-Duo hat es allerdings mit der Distanzierung der genannten Attribute übertrieben. So bleibt letztendlich lediglich die Hülle eines Charakters übrig, bei dem man nicht so recht weiß, was man mit ihm anfangen soll.

    Islamistischer Fanatismus, gerade aus der Position westlicher Filmemacher, kann außerdem schnell zu einem heiklen Thema werden. Vielleicht wurde auch deshalb ein relativ konventionell erscheinender Schluss gewählt, der aber auch irgendwie nicht ganz so passend erscheint. Wie dem auch sei: Die Dardennes wissen, wie man Geschichten erzählt. Das ist auch hier zwischenzeitlich spürbar, obwohl „Le Jeune Ahmed“ wohl leider eines ihrer schwächsten Werke ausmacht.