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  • Bewertung

    Verworrener Neo-Noir made in China

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Diao Yinan gewann 2014 den Goldenen Bären für „Black Coal, Thin Ice“ im Rahmen der Berlinale und machte so erstmals international auf sich aufmerksam. In seiner Heimat China wurde er ursprünglich jedoch mit avantgardistischem Theater bekannt. Teilweise ist die Nähe zu dieser Stilrichtung noch in seinen Filmen spürbar, so auch in seinem neuesten Werk, „The Wild Goose Lake“.

    Als der Gangster Zhou Zenong (Hu Ge) auf Mitglieder einer verfeindeten Bande trifft und es zu Ausschreitungen kommt, bringt er unabsichtlich einen Polizisten um. Der Verwundete befindet sich nun auf der Flucht: sowohl vor der Polizei als auch vor der rivalisierenden Untergrund-Gang. Mithilfe der Prostituierten Liu (Gwei Lun Mei) begibt er sich infolgedessen auf die Suche nach seiner Frau, die er seit einigen Jahren nicht mehr gesehen hat – und entwickelt einen Plan, um an die auf ihn ausgesetzte Prämie heranzukommen.

    Jedes Jahr auf der Viennale gibt es scheinbar einen chinesischen Film, der visuell zwar ansprechend, narrativ gesehen aber ziemlich lückenhaft ist. Letztes Jahr war es Bi Gan’s „Long Day’s Journey Into Night“, dieses Jahr ist es „The Wild Goose Lake“.
    Dass der Film dann auch noch sehr langsam daherkommt, trägt sein Übriges dazu bei, dass man immer stärker mit der schnell aufkommenden Müdigkeit zu kämpfen hat.

    „The Wild Goose Lake“ ist aber nicht nur langsam, sondern auch sehr verworren. Man sieht einige Verfolgungsjagden, doch die Erkenntnis, wer jetzt gerade wen jagt, geht zwischendurch verloren. Chaos regiert das im Film gezeigte Bandenleben, Chaos regiert auch den Film. Wenn es letztendlich nur an einer schwer nachvollziehbaren Handlung gelegen hätte, dass er so unstrukturiert erscheint, hätte man das auch noch hinnehmen können. Aber auch so mancher Übergang zwischen den Szenen funktioniert nicht richtig und so wirkt „The Wild Goose Lake“ etwas verloren.

    Visuell wartet er, vor allem durch den Einsatz von kräftigen Farben oder Neonlichtern, dann aber wiederum mit einigen positiven Einfällen auf. Wenn eine Gruppe von Menschen mit leuchtenden Neon-Schuhen zu Boney M’s „Rasputin“ tanzen oder ein Regenschirm auf äußerst elegante Art zur Mordwaffe wird, hat das schon auch eine bezaubernde Wirkung. Die Liedauswahl ist ohnehin sehr interessant, die Verwendung des Songs „Dschinghis Khan“ der gleichnamigen deutschen Popgruppe sei hier noch zu erwähnen - gewöhnungsbedürftig, aber nicht unbedingt schlecht.

    Diao Yinans ausschweifende Eindrücke stellen zwar teilweise eine Geduldsprobe dar, er beweist andererseits aber auch sein Gespür für die besondere Inszenierung einzelner Momente. Nichtsdestotrotz wirkt „The Wild Goose Lake“ in seiner Ausführung etwas unbeholfen. Aber immerhin bringt der Regisseur recht unkonventionelle Ideen ein, weshalb man gespannt auf seine noch kommenden Filme sein darf.