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  • Bewertung

    Radio ist auch Arbeit

    Exklusiv für Uncut
    Der Kultursender Ö1 wurde geboren, als 1964 der Wunsch nach einem unabhängigen Radiosender von der Mehrheit des Volkes geäußert und stattgegeben wurde, seitdem finanziert sich der öffentlich-rechtliche Sender durch die Zahlungen der HörerInnen. Das erfährt man, wenn man es nicht schon wusste, durch eine Schrifttafel die den Film eröffnet. Wie wichtig diese Institution ist wird dann in 90 Minuten erklärt und eindrücklich veranschaulicht. Bekommt man über das Empfangsgerät nur das fertige Produkt zu hören, so wird durch „Gehört, gesehen“ die unglaublich zeitaufwendige und intensive Vorarbeit, die den einzelnen Sendungen vorangeht, sichtbar.

    Passend dazu äußert sich zu Beginn des Films eine Mitarbeiterin, dass viele wohl glauben Radio sei keine Arbeit. Jedem der diesem Irrglauben folgt, wird mit diesem Film das Gegenteil bewiesen. Der Senderchef Peter Klein liefert so einen treffenden Werbespruch für das Medium Radio, als er meint wäre Ö1 eine Zeitung würden wir jeden Tag 300 Seiten publizieren. Und man glaubt ihm das bereits nach kurzer Zeit des Films. Es ist unvorstellbar wie viele Menschen an wie vielen Stellen an diesem Sender und seinen Programmen mitgestalten.

    Die Filmemacher schaffen es präzise die Bandbreite des Senders einzufangen und in den eigentlich intimen Sitzungen der LeiterInnen die wichtige kritische Haltung gegenüber der eigenen Arbeit auch in den Vordergrund zu rücken. An einigen Stellen des Films wird so erkenntlich, dass die Qualität des Senders u.a. im internen Austausch an Meinungen, Ideen und der eigenen Selbstreflexion liegt. Jeder Sendung und jedem Programm geht eine immense gedankliche Vorarbeit voraus.

    All diese intellektuellen Leistungen ballen sich in den verschiedenen Räumlichkeiten des Radiokulturhauses, aber die Strahlkraft geht über Ländergrenzen hinaus. Dies bekommt man als ZuschauerIn durch Aufnahmen von Sendemasten zu sehen, die die Filmemacher zwischen den Szenen einbauen, aber auch durch eine kurze Sequenz in der HörerInnen aus allen Teilen des Landes ihre Meinungen dem Serviceteam kundgeben und dabei zumeist voller Euphorie sind.

    Der Sender, wie auch der gesamte ORF muss aber auch genügend Kritik einstecken; Stichwort Rotfunk, durch „Gehört, gesehen“ erfährt man auch wie die MitarbeiterInnen dieses Thema wahrnehmen und diskutieren. Es wird bei weitem nicht auf die leichte Schulter genommen und wahrscheinlich gibt sich der Sender mehr Mühe und nimmt mehr Zeit in Anspruch die Anschuldigungen zu widerlegen, als die Ankläger Zeit aufwenden um diese in die Welt zu setzen.


    „Gehört, gesehen“ ist ein Film, der nicht nur Ö1-HörerInnen gefallen und die Augen öffnen wird, sondern auch ein Film der Qualitätsjournalismus vielleicht wieder die Anerkennung zugestehen lassen könnte, die er verdient. Es bleibt zu hoffen, dass der Film weite Verbreitung findet. Außerdem nach „Inland“ von Ulli Gladik ein weiterer wichtiger Film, um die Spaltung der Gesellschaft und ein Ausbrechen aus der eigenen Blase ein Stück weit voranzutreiben.
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    (Daniel Pramberger)
    20.05.2019
    20:20 Uhr