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  • Bewertung

    Gefahren aus der Pflanzenwelt

    Exklusiv für Uncut
    Die Österreicherin Jessica Hausner widmet sich in ihrem ersten englischsprachigen Film einem ganz besonderen Thema: der Pflanzenwelt. Aber nicht nur das, sie geht gar von einer Bedrohung aus, die die Pflanzen umgibt, da sie das Verhalten der Menschen beeinflussen können – und zwar nicht im positiven Sinne.
    Der Pflanzen-Horror made in Austria hatte dieses Jahr seine Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes, wo Emily Beecham für ihre Rolle als Alice sogar den Preis für die beste Hauptdarstellerin verliehen bekam. Seine Österreichpremiere feiert der Film nun auf der diesjährigen Viennale.

    Die alleinerziehende Wissenschaftlerin Alice Woodard (Emily Beecham) lebt gemeinsam mit ihrem Sohn Joe (Kit Connor) in einem englischen Ort, in dem sie bei einem Unternehmen tätig ist, das sich mit der Zucht neuartiger Pflanzen beschäftigt. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Chris (Ben Whishaw) arbeitet sie an ihrem aktuellen Projekt: einer roten Pflanze, die die Menschen glücklicher machen soll. Dafür muss man mit ihr reden, sie pflegen und ganz genaue Temperaturbestimmungen einhalten. Nachdem Alice eine der Pflanzen verbotenerweise mit nach Hause nimmt, bemerkt sie nach einiger Zeit Wesensveränderung an ihrem Sohn. Und auch die Kollegen verhalten sich immer merkwürdiger. Alice fragt sich schnell: Hat das Ganze etwas mit den Pflanzen zu tun? Oder spielt ihr ihr Verstand einen Streich?

    Die inhaltliche Prämisse, die „Little Joe“ zugrunde liegt, nämlich die Bevölkerung des menschlichen Körpers durch bestimmte Organismen, ist gerade im Horrorfilmbereich keine neue. Im Vergleich zu Filmen wie beispielsweise „Invasion of the Body Snatchers“ ist Hausners Zugang zu dem Thema allerdings viel weniger exploitativ. Viel wichtiger erscheint die Frage, ob von den Pflanzen nun wirklich eine Gefahr ausgeht sowie die Etablierung einer mystischen Atmosphäre, die den gesamten Film umgibt.

    Inszenatorisch betrachtet ist „Little Joe“ - gerade auch dank dieser speziellen Atmosphäre - auf jeden Fall gelungen. Sowohl die farbenprächtige Ausstattung als auch das unkonventionelle Sounddesign tragen dazu bei, dass man sich in einer Welt wiederfindet, die einerseits in der Realität verankert zu sein scheint, andererseits diesem Gedanken immer wieder komplett widerspricht. Passend dazu wirkt auch das Schauspiel der Darsteller manchmal sehr hölzern und betont künstlich, was aber auch wieder bezweckt sein kann. Neben Emily Beecham, auf die sich der Großteil der Handlung konzentriert, sticht vor allem der Jungdarsteller Kit Connor in seiner Rolle als Joe äußerst positiv hervor.

    Zwei Aspekte der Inszenierung, die besonders zu betonen sind, sind einerseits die äußerst gelungene Kameraarbeit von Martin Gschlacht, die teilweise auch mit klassischen Konventionen bricht, sowie die vielschichtige Tongestaltung, die zum Spannungsaufbau maßgeblich beiträgt. So trifft man zwischendurch schon mal auf schräge Dudelsackmusik und Hundegebell, die als auditive Spannungsträger eingesetzt werden, was im ersten Moment zwar äußerst ungewohnt erscheint, aber nicht unbedingt negativ zu betrachten ist.

    „Little Joe“ wirkt insgesamt jedenfalls sehr innovativ und kann auf visueller Ebene auf jeden Fall überzeugen. Trotzdem wirkt der Film an mancher Stelle etwas unausgereift, gerade was das Drehbuch angeht. Denn im Endeffekt fragt man sich schon: Will der Film nun ein Mystertythriller sein? Oder doch eher ein Science-Drama, welches die potentielle Gefahr der Prestige- und Profitgier von WissenschaftlerInnen thematisiert?
    Wie dem auch sei, das englischsprachige Debüt von Jessica Hausner ist sicherlich eine besondere Seherfahrung, die auf jeden Fall im Gedächtnis bleibt.