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  • Bewertung

    Was bleibt ist die Erinnerung

    Exklusiv für Uncut von der Diagonale
    In ihrem neuestem Werk, „The Remains - Nach der Odysee“, widmet sich die belgische Dokumentarfilmerin Nathalie Borgers, die zuletzt 2014 mit „Fang den Haider“ auf der Diagonale vertreten war, einem besonders heiklem Thema. Das Werk wirft einen schonungslosen Blick auf die tragischen Schicksale, die viele der vor Krieg und Verfolgung nach Europa Geflüchteten während und auch nach ihrer Flucht durchleiden mussten.

    Mittels zweier verschiedener Erzählstränge beleuchtet Borgers insbesondere jene Menschenleben, die im Zuge ihrer gefährlichen Reise nach Europa ihr Leben lassen mussten. Zunächst trifft man auf Ersthelfer und Freiwillige der Insel Lesbos, die häufig die erste Anlaufstation für Flüchtlingsboote in Europa bildet, die den Versuch unternehmen die Leichenbergung und im Zuge dessen auch die Identifikation der Körper zu optimieren, um schlussendlich wenigstens für eine angemessene Bestattung der Verunglückten sorgen zu können. Der Hauptfokus des Films liegt jedoch auf der zutiefst tragischen Geschichte des syrischen Geflüchteten Farzat, der mit dem Verlust von dreizehn Familienmitgliedern zu kämpfen hat, nachdem das Boot, welches seine Familie in die Sicherheit Europas bringen sollte, zwischen der Türkei und Griechenland kenterte.

    Farzat erwartet in Wien die Ankunft seines Vaters und seiner drei Schwestern, Überlebende des Bootsunglücks, doch sichtlich gezeichnet von den unglaublich schmerzvollen Erinnerungen an die verhängnisvolle Tragödie. Auch sein für verloren geglaubter Bruder Imad, dem in Deutschland Asyl gewährt wurde, besucht seine Hinterbliebenen, durch den Verlust seiner beiden Kinder und der schwangeren Frau jedoch schwer traumatisiert. Das berührende Zusammenfinden der Familie geht dem Zuseher in Anbetracht dessen, was für schier unvorstellbares Unglück die Familie ereilt hat, unglaublich nahe, selten hat man einem Kinosaal in einer derart kollektiven stillen Anteilnahme wahrnehmen dürfen.

    Nathalie Borgers begleitet die Familie weiter in ihrem Kampf um eine rechtmäßige Bergung und Beisetzung ihrer Verstorbenen, denn das Bootswrack wurde trotz unzähliger Gesuche auch drei Jahre später immer noch nicht geborgen. Die durch ihre Trauer noch enger verbundene Familie verbleibt so gleichermaßen in Hoffnung, wie auch der Schmerz und die Fassungslosigkeit nicht an Präsenz verlieren.

    Dem Film gelingt es, trotz seiner schweren Thematik, mit dem richtigen Maß an Sensibilität und Mitgefühl zu erzählen, was oftmals ausgeblendet wird und gibt somit jenen Menschen ein Gesicht, die im Zuge ihrer Flucht ihr Leben verloren. Besonders wichtig war es der Regisseurin außerdem ein Gegenbild zu jenem zu entwerfen, das die aktuelle politische Landschaft in Österreich bestimmt und anstatt der benötigten Empathie Hetze und Ungunst vermittelt.
    „The Remains - Nach der Odysee“ feierte seine Weltpremiere auf der diesjährigen Diagonale in Anwesenheit Farzats und dessen Frau, der Film wurde gestern mit dem großen Diagonalepreis als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.

    Für Kurzentschlossene ist das Werk heute um 19:30 im UCI Annenhof zu sehen, bevor es am 4. April regulär in ausgewählten österreichischen Kinos anläuft.
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    (Julia Pogatetz)
    24.03.2019
    13:14 Uhr