Exklusiv für Uncut von der Berlinale 2019
Modernes deutsches Kino zeigt sich – immerhin im Mainstream-Bereich – oft ein wenig steif und unoriginell. Das auch das absolute Gegenteil der Fall sein kann beweist der freischaffende Zeichner Xaver Böhm (auch bekannt unter seinem Künstlernamen „Xaver Xylophon“) in seinem Spielfilm-Regiedebüt „O Beautiful Night“. Der Anfang 20-jährige Juri ist erfolgloser Musiker und krankhafter Hypochonder. Als er eines Nachts Zeit in einem Casino verbringt, begegnet ihm plötzlich der personifizierte Tod (Marko Mandic). Somit verbringt Juri eine Nacht mit dem lebendigen Tod, der ihn quer durch abstruse Lokalitäten treibt und den jungen Mann mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert.
Xaver Böhm ist ein surreal schöner wie auch irrwitzig schwarz-humoriger Filmtrip gelungen, der mit einer berauschenden Farbästhetik besticht.
Böhm kreiert einen im wahrsten Sinne des Wortes traumhaften Look getränkt in Neonfarben und -lichter, dessen hochgestochene Kolorierung schon fast an die Farbkompositionen eines Nicolas Winding Refns oder eines „Suspiria“ von Dario Argento erinnern lässt. Die Visualisierung ist stets dem Geschehen angepasst und wird zumal surrealer je exzentrischer die Story des Films wird.
Zudem wird Böhms Werk von einem wundervoll absurden Humor durchzogen, die jedoch nicht zu bemüht oder gezwungen verrückt wirkt, sondern sich mühelos in die originelle Handlung einreiht. Für die schwarz-humorige Komik ist in erster Linie die Figur des Tods verantwortlich, dessen ungewöhnlicher osteuropäischer Akzent bereits eine gute Basis dafür bietet. Eines der Highlights ist zweifelsohne eine Sequenz, in der Protagonist Juri vom Tod zu einer Runde russisches Roulette mit zwei aussergewöhnlich Gestalten eingeladen wird, die morbide aber zugleich unfassbar unterhaltsame Wege einschlägt.
Im Laufe des Films wird dem abstrusen Buddy-Gespann noch eine dritte Person hinzugefügt: die Stripperin Nina (Vanessa Loibl). Juri lernt diese in einer Peepshow kennen und verliebt sich in sie. Juris Beziehung zu ihr verleiht den Film einen zusätzlichen Diskurs zum Thema Sterblichkeit, der durch eine kürzlich verstorbene Freundin Ninas entfacht wird. Der Film erhält so noch eine zusätzliche Portion Melancholie, die sich in die sonst so kontrastreichen Absurditäten im Plot mühelos einreiht und die Zuschauer an der Abwärtsspirale der Protagonisten aktiv teilnehmen lässt.
Allgemein verstreut der Film zahlreiche Anleihen an das Genre des Film noir, weswegen die Figur der Nina auch zunächst als geheimnisvolle Femme Fatale etabliert wird und stets auf amüsante Art und Weise mit den vermeintlichen Konventionen des Genres herumgespielt wird.
Am Ende des Tages lässt sich sagen, dass „O Beautiful Night“ definitiv nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Einige Zuschauer werden den Film zu bemüht anders finden, andere von Anfang an schon Schwierigkeiten damit haben, in das abstruse Konzept hineinzufinden. Wer sich aber auf diesen nächtlichen Trip voller kreativ absurder Einfälle, bitterböser Komik, surreal schöner Bildwelten und einer feinen Prise Melancholie einlassen kann, wird am Ende reichlich belohnt werden.
Junges wildes Kino made in Germany – bitte mehr davon!