Filmkritik zu Divino Amor

Bilder: Filmverleih Fotos: Filmverleih
  • Bewertung

    „Divino Amor“ betrügt nicht, sie teilt

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Es ist 2027 in Brasilien: die Religion hat sich an die Moderne angepasst und wird nicht mehr in ausgewählten Stätten mit traditionellen Gebeten zelebriert, sondern in Drivethrough-Kapellen und auf Raveparties mit religiösen Pophymnen oder in der Natur. Zu den streng Gläubigen der Zukunft zählt sich auch Joana, die gemeinsam mit ihrem Ehemann der religiösen Gemeinschaft „Divino Amor“ angehört. Durch die Liebe zu Gott, versuchen sie die irdische Liebe zwischen Ehepartnern aufrechtzuerhalten oder neu zu entfachen, auch mit eher unkonventionellen Methoden, die man von einer religiösen Einrichtung nicht erwarten würde. Trotz technischer Fortschritte bleiben die essentiellen Wünsche der Menschen in der Zukunft die gleichen: Fortpflanzung und Familiengründung. Wer dies jedoch nicht in den starren Vorgaben der Gesellschaft macht, wird zum Außenseiter degradiert, so auch Joana, als ihr Leben plötzlich nicht mehr in die Norm passt.

    Nächstenliebe wird bei Joana groß geschrieben. Obwohl sie einen Bürojob ausführt, versucht sie stets der Bürokratie etwas Humanes abzugewinnen. Sie ist für die Abwicklung von Scheidungen zuständig, sieht es jedoch als ihre persönliche Mission von Gott, die Ehepaare von dieser schwerwiegenden Entscheidung abzubringen. Teilweise führt sie Paare sogar in das Programm von „Divino Amor“ ein und nimmt mit ihrem Mann und ihnen an Partnerübungen teil, die sexueller Natur sind, mit dem Motto: „Wahre Liebe betrügt nicht, sie teilt“. Denn um das ultimative Ziel zu erreichen, ist ihnen nichts zu abwegig.

    „Divino Amor“ verarbeitet eine der ältesten und fundamentalsten Geschichten aus der Bibel: die Rettung durch den Messias. Doch ähnlich wie bei Jesus Christus ist die Menschheit 2027 ebenfalls (noch) nicht bereit dazu, ihn als solchen zu erkennen und anzuerkennen. Stattdessen wird er durch sein Anderssein verstoßen, genauso wie seine Mutter.

    Der Grundton von „Divino Amor“ ist neonfarben, so auch das Logo der Sekte. Künstlerisch wird es im Vorspann eingeführt, in dem die Neonstreifen wie Flugzeuge über den dunkellilanen Hintergrund schweifen. Auch die Musik spiegelt die Moderne mit elektrischen Klängen wider. Was sich nicht sehr verändert hat in fast zehn Jahren sind die Gebäude und Behausungen der Menschen. Das wäre vermutlich nicht gerade billig gewesen und hätte nur wenig zur Geschichte beigetragen.

    Was sehrwohl zur Stimmung des Filmes beiträgt, ist die angenehme Erzählstimme eines Kindes, das durch den Film führt - im Original auf entzückendem Portugiesisch - ganz sachlich, als würde es in keinster Weise in die Geschichte involviert sein.

    Gabriel Mascaro wirft mit „Divino Amor“ einen etwas beunruhigenden Blick in eine Zukunft, in der es die Religion durch Anpassung an die moderne Lebensweise geschafft hat, extrem präsent in den Leben der Menschen zu sein bzw. zu bleiben. So präsent, dass sie lebensbestimmend ist. Doch auch die fortschreitende Digitalisierung nimmt den Menschen in seinem Film Privatsphäre und Freiheit, wenn die Metalldetektoren vor öffentlichen Gebäuden private Informationen sammeln und preisgeben. Insofern stellt „Divino Amor“ ein interessantes Szenario dar, das gleichzeitig modern und klassisch ist.