Filmkritik zu Cats

Bilder: Universal Pictures International Fotos: Universal Pictures International
  • Bewertung

    Welcome to the Jellicle Ball!

    Exklusiv für Uncut
    1981 feierte am Londoner West End ein Stück von Andrew Lloyd Webber Premiere, welches bis heute zu den beliebtesten Musicals weltweit zählt: „Cats“. Basierend auf einem Gedichtband von T. S. Eliot wurde das Katzenmusical zu einem internationalen Hit, welches in den späten 90er-Jahren erstmals verfilmt wurde. Regisseur David Mallet behielt hier noch die theatertypische Bühnenanordnung bei. 20 Jahre später sieht dies bei Tom Hoopers Version schon ganz anders aus: Eine eigen(willig)e Welt erschaffend, die an Skurrilität wohl nicht zu überbieten ist, sorgte bereits der Trailer von „Cats“ für zahlreiche Furore. Und auch der Film liefert so ziemlich alles, von dem man nie erwartet hatte, es jemals auf der Leinwand zu sehen - von schlechten CGI-Szenen (Stichwort schwebende Katzen) bis hin zu zahlreichen A-Listen-SchauspielerInnen in absurden Katzenkostümen. Ob man das nun zur Gänze schlecht findet oder ob man daraus auch etwas Positives herausfiltern kann, sei vorerst noch dahingestellt. Eines steht jedenfalls fest: „Cats“ is one hell of a ride!

    Die von ihren Besitzern ausgesetzte Victoria (Francesca Hayward) ist neu in der Gegend, die von den „Jellicle Cats“ bewohnt wird. Der als eine Art Erzähler fungierende Munkustrap (Robbie Fairchild) stellt ihr deshalb die einzelnen Katzen der Reihe nach vor, die sich gerade auf den jährlich stattfindenden „Jellicle Ball“ vorbereiten. Im Zuge eines Gesangswettbewerbs wird hier nämlich diejenige Katze auserkoren, die sich am meisten beweisen kann und somit die Chance auf ein neues Leben erhält. Auch der Bösewicht Macavity (Idris Elba) hat es auf den Sieg abgesehen und sorgt mithilfe von Bombalurina (Taylor Swift) dafür, dass die KonkurrentInnen Jennyanydots (Rebel Wilson), Bustopher Jones (James Corden) und Gus (Ian McKellen) schnellstmöglich verschwinden. Der Höhepunkt des Balls, bei dem die Katzenälteste Old Deuteronomy (Judi Dench) den/die SiegerIn verkündet, steht nun kurz bevor und die verbleibenden Katzen, unter ihnen der Rum Tum Tugger (Jason Derulo) und Mr. Mistofelees (Laurie Davidson), versuchen alles, um die scheinbar ausweglose Situation zu retten. Doch dann taucht plötzlich die vor Jahren verstoßene Grizabella (Jennifer Hudson) wieder auf – und neue Hoffnung macht sich breit.

    Vorweg sei gleich zu sagen: Wer einen wirklich GUTEN Film erwartet, ist bei „Cats“ falsch. Technisch gesehen ist der Film … schlecht. Dramaturgisch gesehen ist der Film … auch schlecht. Das CGI ist allgegenwärtig und teilweise auch wirklich ungeschickt umgesetzt. Die „Katzenmenschen“ sehen unheimlich aus und wirken gar wie Fremdkörper in einer äußerst überzeichneten Welt. Die Handlung, die irgendeine übernatürliche, vom Mond ausgehende Macht behandelt, ist ziemlich egal.

    „Cats“ macht vor allem eines aus: eine Aneinanderreihung von bizarren Musicalnummern, gesungen von menschenähnlichen Katzen, die sich durch ihre Lieder dem Publikum vorstellen. So wird man Zeuge von einer Art Orgie in der „Milk Bar“, in dessen Mittelpunkt Jason Derulo vor sich hin groovt. Immerhin scheint er Spaß gehabt zu haben.
    Noch grenzwertiger erscheinen allerdings die Musikstücke von Rebel Wilson und James Cordon. Während Erstere dafür eine Revue aus Mäusen und Kakerlaken, die noch unheimlicher aussehen als die Katzen, um sich versammelt, fasst Zweiterer seine komödiantische Grundlage lediglich aus seinem Übergewicht. Ist Cordon nicht eigentlich jemand, der in der Vergangenheit die Diskriminierung übergewichtiger SchauspielerInnen thematisiert hat?

    Bereits das Musical war weniger wegen seiner narrativen Dichte bekannt, sondern eher wegen seiner eingängigen Lieder. „Memory“ kennt man auch, ohne „Cats“ je gesehen zu haben. Das von Jennifer Hudson performte Musikstück, das ja einen zentralen Punkt der Handlung ausmacht, geht aber leider etwas unter. Viel einprägsamer ist dafür die Eröffnungsnummer rund um die „Jellicle Cats“, die etwas poppiger als das Original daherkommt. Obwohl man sich zu Beginn schon fragt, ob man nicht eher bei Baz Luhrmanns „Moulin Rouge“ gelandet ist. Mein persönliches Highlight des Musicals war immer der Song über den Zauberkater Mr. Mistofelees, weshalb ich erleichtert war, dass immerhin diese Musicalnummer ganz nett umgesetzt wurde. Mr. Mistofelees, dargestellt von Laurie Davidson, hat darüber hinaus eine Aufwertung der Figur erhalten, der nun in fast jeder Szene zu sehen ist. Warum er dafür allerdings zu Victorias Objekt der Begierde werden musste, ist wiederum fraglich. Die als Protagonistin inszenierte Victoria wird von der Ballerina Francesca Hayward dargestellt, die zwar ganz sympathisch erscheint, aufgrund des sehr umfangreichen Ensembles teilweise auch etwas untergeht. Immerhin ist ihr Musikstück – das von Taylor Swift extra für den Film komponierte „Beautiful Ghosts“ – gelungen. Da es das einzige Lied darstellt, welches nicht dem Original-Soundtrack entnommen wurde, hätte das auch schief gehen können. „Beautiful Ghosts“ gliedert sich aber gut ein und klingt auch sehr melodisch. Neben „Jellicle Cats“ hat man jetzt halt auch Taylor Swifts Neukompisition tagelang im Kopf.

    Neben Laurie Davidsons Performance zählen wohl die von Judi Dench – obwohl sie sich in einer Szene dank des CGIs äußerst komisch verrenken muss – und Ian McKellen zu den besseren. Idris Elba hingegen wirkt als Bösewicht Macavity äußerst beängstigend; das ist allerdings nicht im positiven Sinne zu verstehen. Gerade in der Paarung mit Taylor Swift erscheint die gemeinsame Musiknummer äußerst obskur; vor allem, weil er dabei „nackt“ auftritt. Im Gegensatz dazu sind nämlich andere Figuren bekleidet – was als Katze sowieso keinen Sinn macht - und auch Macavity entledigt sich für den erotisch aufgeladenen Tanz mit Bombalurina extra seines Mantels. Was das Ganze noch seltsamer macht, ist die Tatsache, dass sein Fell aussieht wie Samt - etwas verstörend. Warum die Handlung allgemein von so vielen sexuellen Andeutungen durchzogen ist, ist ohnehin fragwürdig.

    Aber es wäre gelogen zu sagen, dass „Cats“ nicht äußerst unterhaltsam ist. Wenn man sich erst mal an die seltsam aussehenden Katzenmenschen gewöhnt hat und auch keine gut durchstrukturierte Handlung erwartet, kann man sehr viel Spaß haben! Fans des Musicals werden aufgrund der exzessiven Inszenierung wahrscheinlich eher enttäuscht sein. Obwohl das Ursprungswerk ja ohnehin auch nicht mit grotesken Ideen spart. Jedenfalls wird „Cats“ sicherlich nicht aufgrund seiner tiefgründigen Inszenierung in Erinnerung bleiben - aber es wird auf jeden Fall in Erinnerung bleiben!
    Und wer weiß, für diejenigen, die ihn nicht ernst nehmen, wird er vielleicht eines Tages sogar mal zu einer Art Kultfilm avancieren.