Filmkritik zu Downton Abbey

Bilder: Universal Pictures International Fotos: Universal Pictures International
  • Bewertung

    Opulente Zeitreise, große Kulissen, kleine Story

    Exklusiv für Uncut
    Wenn bei einem britischen Kinofilm oder einer TV-Serie der Name Julian Fellowes als Produzent oder gar Drehbuchautor auftaucht, dann weiß man auf einen Schlag zwei Dinge ganz genau: erstens geht es um eine Story, die in irgendeiner Form mit dem britischen Königshaus, der englischen Geschichte oder beidem zu tun hat und zweitens, muss man sich um die historisch perfekte recherchierte und rekonstruierte Rahmenhandlung keine Sorgen machen. Seine Filme sind so etwas wie Mainstream-taugliche Geschichtsstunden, verknüpft mit durchwegs liebenswerten (teils erfundenen) Geschichten aus der betreffenden Zeit und einem ganz besonderen Gespür für die Zeichnung von interessanten Charakteren und ihren ganz persönlichen Geheimnissen, die sie nach außen nur sehr zögerlich preisgeben. 

    Sei es für „Gosford Park“, „Shadowlands“ im Kino als auch für TV-Serien wie „The Crown“ oder eben „Downton Abbey“ - Fellowes ist so etwas wie das Gütesiegel für Qualität und edlen Stil. Genau diese Eigenschaften machten auch den großen Erfolg der insgesamt sechs Staffeln von "Downton Abbey" aus, die sich vage an „Upstairs, downstairs“, eine sehr erfolgreiche andere englische Fernsehserie aus den 1970er Jahren anlehnte, die bei uns immer nachmittags unter dem Titel "Das Haus am Eaton Place" zu sehen war: die Reichen Adeligen leben in den oberen Etagen und werden von den Dienstboten im Untergeschoss ergebenst bedient, unten wie oben gibt es aber zahlreiche Konflikte und Dramen, die aufeinander bezogen sind und keiner der Bewohner einer der beiden Welten kann aus seiner Haut heraus. Im Hintergrund zeichnete die Serie auch die prekären Lebensbedingungen des Dienstpersonals im 19. Jahrhundert auf und warf einen kritischen Blick auf die äußerlich prunkvolle, innerlich aber zwiespältig zu beurteilende englische Lebensweise der damaligen Zeit. Auch die Monarchie insgesamt wurde mit einem prinzipiell wohlwollenden, aber auch kritischen Blick beleuchtet. 

    Das Besondere an Julian Fellowes' Reboot der Geschichte war jedoch seine visuelle Opulenz, die akribische Genauigkeit in der Ausstattung jedes einzelnen Sets und die deutlich aufgefrischte Art, Geschichten zu erzählen, die sich damals so oder so ähnlich zugetragen haben bzw. haben könnten. Nichts von dem, was er in der Serie großzügig dazu erfindet, hätte nicht prinzipiell so geschehen sein können und zugleich verankerte er die Handlung der Serie in realen historischen Begebenheiten bzw. Zeitabschnitten, was das Ganze dann zusätzlich interessant machte. Dowton Abbey spannte so den Erzählbogen vom Untergang der Titanic in der allerersten Folge bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 

    Der Film setzt dort ein, wo die Serie geendet hatte, nämlich im Jahre 1926. In Deutschland gärt es zwar schon, aber der zweite Weltkrieg ist noch lange entfernt, König George V ist an der Macht und in Downton Abbey ist alles so, wie wenn die Zeit seit Weihnachten 1926 stehen geblieben wäre: wer ist in Pension gegangen, wer ist längst tot, wer hat wen geheiratet, Mr. Barrow hatte sein Coming out bereits längst vollzogen und Mr. und Mrs. Bates haben keine Sorgen mehr. Kein besonders bemerkenswertes historisches Ereignis bildet den Hintergrund der Geschichte.

    Sehr schnell wird also klar, dass es dem Film diesmal nicht mehr um den Geschichtsunterricht geht, sondern letzten Endes darum, die grandiose Kulisse noch einmal so richtig strahlen zu lassen und mit der Drohnenkamera jeden noch so prächtigen Winkel des Anwesens abzubilden. Auffallend oft gibt es die großen Schwenks über den Ballsaal mit den vielen hübsch gekleideten Adeligen zu sehen, zwischen denen die Diener flink und geschickt mit den Tabletts herum eilen. Das sieht nach wie vor einfach toll aus und gefällt - den Fans der Serie wie Freunden britischen Adels gleichermaßen. 

    Ähnlich geht es dem Film auch mit seiner Handlung: der Besuch des englischen Königspaares, der den ganzen Hofstab in helle Aufregung versetzt, bildet den Kern der Geschichte und hat immer wieder einige unterhaltsame Wendungen und Momente parat. Doch offenbar war es dem Regisseur ein großes Anliegen, bis zum Ende für alle wichtigen Figuren der Geschichte auch im Kinofilm eine kleine Episode einzubauen - und sei sie noch so konstruiert. 

    Damit und mit dem Verzicht auf eine historische Verankerung enttäuscht der Film am Ende jedoch schon - seine Fans wie "normale" Kinobesucher gleichermaßen. Und darüber retten ihn am Schluss nur noch die vielen, mit unglaublich viel Esprit und Witz geschriebenen Dialoge zwischen Lady Violet (Maggie Smith) und Isobel Merton (Penelope Wilton), die auch schon in der Serie für viele der besten Momente gut waren.
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    (Markus Löhnert )
    20.09.2019
    08:55 Uhr
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