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  • Bewertung

    Das schräge Leben als Fälscherin

    Exklusiv für Uncut
    Mit dem Biopic „Can You Ever Forgive Me“ über Lee Israel, einer New Yorker Fälscherin die Anfang der 90er zahlreiche selbst geschriebene Briefe von Hollywoodstars verscherbelte, hat US-Regisseurin Marielle Heller einen kleinen, charmanten und stellenweise sehr emotionalen Film geschaffen. Vor allem die beiden Hauptdarsteller Melissa McCarthy, die anscheinend jetzt ins seriösere Fach wechselt, und Richard E. Grant verleihen dieser Gaunergeschichte sein besonderes Flair.

    Im Jahr 1991 hat die jüdische Biographin Lee Israel (Melissa McCarthy), eine Eigenbrötlerin und nicht gerade ein umgänglicher Mensch, gerade ihren Job verloren und auch ihre Tätigkeit als Schriftstellerin liegt seit längerem im Stocken. Niemand interessiert sich mehr für ihre Biografien und ihre neueste Arbeit an der Varietekünstlerin Fanny Brice wirft vorab kein Geld ab. Als sie ihrem Vermieter bereits drei Monatsmieten schuldet und auch ihre Katze Jersey krank wird und sie den Arzt nicht zahlen kann, schreitet sie zu extremen Maßnahmen.

    Bei der Recherche zu Brice fällt ihr ein Brief der Künstlerin in die Hände. Nachdem die Sammler erst wenig dafür zahlen wollen schönt sie den Wortlaut selber auf und bekommt gleich ein Mehrfaches für seinen einzigartigen Wert geboten. Ein Geschäftsmodell entsteht, in das sie auch ihren einzigen Freund, den schwulen Drogendealer Jack Hock (Richard E. Grant) hineinzieht. Aber die Gutgläubigkeit der Sammler hält nicht lang und bald entstehen erste Zweifeln, ob Lee wirklich authentisches Material liefert. Das FBI beginnt zu ermitteln und Lee landet auf sämtlichen schwarzen Listen. Für sie kein Grund aufzuhören, aber ewig wird ihr Lügenkonstrukt nicht halten.

    Heller hat einen stimmigen Film gedreht, der die Handlung nicht auf allzu verschiedene Ebenen hebt, sondern sie im Schoß seiner Hauptdarsteller verweilen lässt. Die Ermittlungen und die Entrüstung der Sammlerszene erlebt der Zuschauer nur aus der Sicht Israels, was dem Film eine realistisch-pragmatische Note verleiht. Man sieht was Lee Israel sieht, man hört was sie hört. Der Wunsch, dieses Schema auf gut Glück weiter durchzuziehen, vor allem, weil sie das erste Mal seit langem wirklich stolz auf ihre Arbeit sein kann, wird so nachvollziehbar.

    Dem kleinen Rahmen, den Heller ihren Darstellern bietet, macht sich bezahlt. McCarthy zeigt nach fast einem Jahrzehnt an eher derben Rollen, dass sie durchaus auch leisere Töne anschlagen kann. Ihre Israel ist zwar brachial, unwirsch und eiskalt, aber da ist auch diese Ebene an Verletzlichkeit, an Unsicherheit und Hilflosigkeit. Ihre Lee lässt sich in keine Schublade stecken, der Zuschauer wird gezwungen sich selber ein Urteil zu bilden.

    Grant spielt mit viel Schelm den extravaganten Lebenskünstler Hock, ohne ihn aber zu einem wandelnden Klischee zu machen. Ihm gehören auch oft die besten Momente des Films. Als Lee ihn darauf hinweist wie sie ebenfalls keine Freunde zu haben, meint er lapidar „Meine Freunde sind alle tot“. Ein auf Humor gespielter Moment, aber angesichts der Zeitperiode ein unscheinbar verpacktes Tragik-Element.

    „Can You Ever Forgive Me“ beleuchtet mit viel Bravour eine faszinierende Geschichte, die man sich vor allem im heutigen Zeitalter der immer überall verfügbaren Informationen und der „Fake News“ schwer vorstellen kann, die aber genauso passiert ist. McCarthy und Grant brillieren in einem Wechselspiel aus Tragödie und Drama und fesseln bis zur letzten Minute.
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    (Susanne Gottlieb)
    21.02.2019
    22:55 Uhr
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