Filmkritik zu Seestück

Bilder: Salzgeber & Co Fotos: Salzgeber & Co
  • Bewertung

    Wir wollen die Natur überlisten

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    In „Seestück“ werden zwei Begriffe gegenübergestellt; Aufklärung und Romantik. Es geht darum, welcher der beiden Begriffe in der heutigen Zeit mehr Anspruch besitzt. Deswegen platziert der Regisseur Volker Koepp Menschen vor der Natur der Ostsee, die er oftmals einfach erzählen lässt. Diese eröffnen dem Publikum dann Einblicke in deren Lebenswelten. Es entsteht ein Mosaik aus vielen individuellen Teilen, die allesamt eine Geschichte zu erzählen haben und auch verschiedenen Ansichten aufweisen. Immer wieder kommen dabei Menschen darauf zu sprechen, dass das Ökosystem des Ostseeraumes sich im Laufe der Jahre verändert hat. Experten stellen dann ihre Ansichten dar und schildern wie der Mensch mit seinem Fortschrittsdenken, die Natur beeinflusst und welche umgehenden Auswirkungen das auf die Landschaft hat.

    Ausgehend von den Gemälden Caspar David Friedrichs bringt Koepp und auch einige seiner Mosaikteile deswegen den Begriff der Romantik als Gegenkonzept des Fortschrittsdenkens der Aufklärung ins Spiel. Die Individuen, die der Filmemacher vor die Kamera holt, sind wie der Maler fasziniert von der See und finden hier ihre Freiheit. Eine Freiheit, die die hiesige Bevölkerung fürchtet, durch stetiges Wachstum in gewisser Weise zu verlieren. Volker Koepp ist selbst in Stettin und Greifswald aufgewachsen, Gegenden die im Ostseeraum liegen und das merkt man auch in den Aufnahmen wie verbunden er mit den Landschaften vor der Kamera ist.

    Neben vielen Menschen, die einfach aus ihrem Leben erzählen und so ein unbeschwertes Bild vom Alltag in dieser Gegend beschreiben lässt Koepp eben auch Experten zu Wort kommen, die über die Auswirkungen von Klimawandel und den menschlichen Einfluss reden, wie auch der politischen Lage in der Region, die wieder an den Kalten Krieg erinnert. Auch ein Geisteswissenschaftler kommt zu Wort, der anhand von Schriftstellern wie Baudelaire, Rousseau und Kant vorschlägt, wieder ein wenig romantischer zu denken und weniger auf Profit ausgerichtet.

    Volker Koepps Aufnahmen sind wahrlich idyllisch und man möchte sofort die nächste Reise buchen. Gleichzeitig schafft er es aber auch den Fokus auf schwierige Themen zu lenken und erzeugt im Publikum den emotionellen Drang über die Entwicklung der Gesellschaft und die Auswirkungen auf die Natur nachzudenken. „Seestück“ lebt von der Natur der Ostsee und den faszinierenden Landschaftsaufnahmen, aber die ProtagonistInnen mit ihren Aussagen runden das Bild erst ab und machen den Film zu einem äußerst sehenswerten und aufklärenden Werk. Hier merkt man wieder wie wichtig es ist, sein Gegenüber zu Wort kommen zu lassen und wirklich zuzuhören. Eine Leistung die Koepp in seiner Filmografie stets bravourös zur Schau stellt.
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    (Daniel Pramberger)
    08.11.2018
    08:55 Uhr

Seestück

Deutschland 2018
Regie: Volker Koepp