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  • Bewertung

    Action-Ballett der Sonderklasse

    Exklusiv für Uncut
    Gerade als es so schien als würde modernes Action-Kino in einem Sammelsurium an unübersichtlichen Schnitten und CGI-Materialschlachten untergehen, kam dem Genre Ende 2014 aus dem Nichts ein schwarzgekleideter Keanu Reeves zur Rettung: die Geburtsstunde des „John Wick“-Franchise wurde eingeleitet. Mit weitestgehend handgemachter Kampfsequenzen und einem Hauptdarsteller, der in seiner Rolle als ehemaliger Auftragskiller auf Rachefeldzug eine unglaubliche physische Hingabe zeigte, bewies Neo-Regisseur Chad Stahelski (zuvor: angesehener Stuntkoordinator in Hollywood) in Handumdrehen wozu das Action-Genre im Stande ist, wenn man es denn richtig verwendet. Nicht nur bei der Kritik, sondern auch an den Kinokassen erwies sich der erste „John Wick“ als großer Erfolg, weswegen 2017 ein ebenso rentabler zweiter Teil folgte, dem gar ähnliche Qualitäten wie Teil 1 nachgesagt werden.

    Der kommende Woche anlaufende „John Wick: Kapitel 3“ setzt direkt nach den Ereignissen des Vorgängers an. Nachdem John Wick (Keanu Reeves) am Ende vom zweiten Teil einen Mafiaboss in den Räumlichkeiten des Continental-Hotels tötete und somit gegen die Regeln der Killer-Vereinigung verstieß, wird ein sogenanntes Excommunicado auf den berüchtigten Auftragskiller ausgesprochen. Dies bedeutet, dass Wick von nun an aus der Vereinigung ausgeschlossen wird und infolgedessen wird auf ihn sogar ein saftiges Kopfgeld ausgesetzt. Die Jagd auf Wick geht los und es dauert nicht lange bis sich dieser von der gesamten New Yorker Unterwelt umzingelt sieht. Einziger Ausweg: sich seinen Weg durch die Massen an Auftragskillern durchzukämpfen – ohne Rücksicht auf Verluste.

    Eines vorweg: Wer sich hier komplexe Handlungsvorgänge und tiefgehende Einblicke in die Psyche unserer Figuren erwartet, ist schlichtweg an der falschen Adresse. Die „Story“ des Films gestaltet sich sogar noch minimalistischer als in den vorangegangen Teilen, ist völlig überzogen und banal. Eben diese Aspekte stellen jedoch keineswegs Schwächen dar. Nein – denn nicht nur ist der Film sich seiner Lächerlichkeit zu jeder Sekunde bewusst, sondern er zelebriert diese sogar sogar aufs Vollste.

    Bei „John Wick 3“ handelt es sich um ein atemberaubendes Stück Action-Kino, dem jeglicher Plot nur als Beiwerk dient, um die sensationellen Action-Sequenzen zu etablieren und auf Vordermann zu bringen. Nachdem die beiden Vorgängerfilme bereits mit fantastischen Kampfchoreographien aufwarten ließen, wird hier sogar nochmal eine ordentliche Schippe draufgelegt. Bereits in den ersten dreißig Minuten bekommt es der Zuschauer mit derart aufregenden und adrenalingetriebenen Action-Setpieces zu tun, dass einem kaum Zeit zum Atmen bleibt. Danach nimmt das Tempo zwar ein wenig ab, die hohe Qualität der Action bleibt aber stets aufrechterhalten.

    Schwingende Äxte, fliegende Messer oder gar ein wohlverdienter Einsatz trainierter Hunde – der Kreativität der Filmemacher werden hier keinerlei Grenzen gesetzt und das Repertoire möglicher Waffen war noch nie so groß wie hier. Regisseur Stahelski und sein Stunt-Team nützen jeden gegebenen Millimeter an Räumlichkeiten, um darin auf ausgeklügelte Art und Weise ihre Kampfsequenzen abspielen zu lassen. So werden plötzlich ein Pferdestall oder eine Bücherei zum Schauplatz einer Actionsequenz. Es sei zudem gesagt, dass der Film eine schonungslose Härte an den Tag legt, die man selten im US-amerikanischen Actionfilm zu Gesicht bekommt und in seiner brachialen Gewaltdarstellung sogar an Vorbilder des Asia-Kinos erinnern lässt.

    Großes Lob gebührt zudem Kameramann Dan Laustsen, der die überwältigende Action des Films, in wunderbar stilvollen und glasklar abgefilmten Bildern festhält. Die in Neon-Lichtern gebadete Ästhetik weiß durchwegs zu betören und bietet vor allem im finalen Kampf einen unvergesslichen Bilderrausch, der einen regelrecht in seinen Bann zieht.

    Auch die Darstellerriege zeigt hier wieder vollen Körpereinsatz - allen voran Keanu Reeves, der einmal mehr zur Schau stellen darf, welch beachtliche Körperbeherrschung er trotz seiner mittlerweile 54 Jahre immer noch besitzt. Auch Halle Berry, die in einer essentiellen Sequenz als alte Bekannte Wicks auftreten darf, beeindruckt in ihrer wohl besten Rolle seit Jahren mit einer phänomenalen Physik. Der restliche Cast wird mit altbekannten Gesichtern des Franchise wie Lawrence Fishburne und Ian McShane, aber auch Neuzugängen wie Angelica Huston, Mark Dacascos oder Asia Kate Dillon abgerundet, die hier allesamt die Möglichkeit bekommen, ihr A-Game auszufahren.

    Es werden durchaus Zuschauer manch Action-Sequenz im Film vorwerfen, in repetitive Muster zu verfallen. Wer jedoch über die ein oder andere minimale Länge hinwegsehen kann, wird mit einem makellos choreographierten und minutiös durchkomponierten Action-Ballett belohnt werden, das einen unterhalten, mitreißen und durch atemberaubende Bildkompositionen sogar zum Staunen bringen kann. Hierbei handelt es sich nicht nur um das bisherige Meisterstück der Reihe, sondern vermutlich auch um eines der Genre-Highlights der Dekade.

    Virtuos in Szene gesetzt, kreativ und beinhart: „John Wick: Kapitel 3“ ist Kino in seiner reinsten Form!

    Die „Mission Impossible“-Reihe kann sich warm anziehen, denn ein anderer Anwärter rückt dieser im Kampf um das beste US-Action-Franchise des 21. Jahrhunderts immer näher.
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    (Christian Pogatetz)
    16.05.2019
    21:59 Uhr