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  • Bewertung

    Banale Alltagsgeplänkel

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Eine junge Frau verliebt sich in einen Mann, der ihrem verschwundenen Exfreund bis aufs Haar gleicht. Ist diese Liebe echt oder das verzweifelte Festhalten an etwas, das nicht mehr ist? Die eigentliche Ausgangssituation von „Netemo Sametemo“ verspricht viel, hält im Endeffekt aber leider wenig. Regisseur Ryusuke Hamaguchi vergibt die Chance hier ein komplexes inhaltliches Gerüst aufzubauen und verliert sich in den Banalitäten des Datings und Alltagstrotts.

    Basierend auf dem 2010 erschienen Roman von Tomoka Shibasaki handelt die Geschichte von der angeblich unscheinbaren Asako (Erika Karata), die sich in jungen Jahren auf den ersten Blick in den verschrobenen Bad Boy Baku (Masahiro Higashide) verliebt. Asakos Freunde beäugen die stürmische Romanze argwöhnisch, da Baku wenig vertrauenswürdig ist und gerne mal einfach so verschwindet. Asako muss das selber aus erster Hand erfahren, als er eine ganze Nacht lang verschwindet um Brot zu holen. Die emotionale Wiedervereinigung ist jedoch nicht von langer Dauer. Sechs Monate später kehrt Baku nicht mehr vom Schuhe kaufen zurück. Eine verzweifelte Asako verlässt die gemeinsame Heimatstadt Osaka und zieht nach Tokyo.

    Zwei Jahre später läuft Asako dem charmanten Geschäftsman Ryohei (ebenfalls Higashide) über den Weg. Dieser schaut dem verschwundenen Baku zum Verwechseln ähnlich und kann sich zunächst nicht erklären, warum die junge Frau ihm gegenüber wie vom Blitz getroffen reagiert und ihn immer wieder Baku nennt. Doch ähnlich wie bei seinem Vorgänger ist es auch hier Liebe auf den ersten Blick und er beginnt Asako zu umwerben. Die wehrt sich zunächst, doch als die besten Freunde der beiden ein Paar werden, beginnt sich auch zwischen Asako und Ryohei eine Romanze zu entwickeln. Die Frage, ob Asako in Ryohei nur einen Ersatz sieht oder doch die große Liebe, steht fünf Jahre später wieder im Raum, als Baku, inzwischen ein erfolgreiches Model und Schauspieler, wieder in ihrem Leben auftaucht.

    Ungleich des Romans, in den beide Verehrer ihren Raum bekommen um sich zu beweisen, hebt sich Hamaguchi Bakus Wiederkehr bis sehr spät im Film auf und bringt ihn so um einen vollwertigen dramatischen letzten Akt. Da schon früh klar wird, dass hier nicht mit Vertigo Doppelgängern gearbeitet wird oder mit projizierter Liebe verkommt somit ein Großteil des Films zu einem Guckloch in den banalen Alltag des japanischen Mittelstands. Katze hüten, Kinder kriegen, essen gehen und am Fischmarkt aushelfen sind die inhaltlichen Highlights, mit denen sich der Zuschauer über eine Stunde auseinandersetzen muss. Bakus Wiederkehr erscheint da mehr wie eine Fußnote als ein neues Kapitel im Plot. Da hilft es auch nicht, dass das Erdbeben und der Tsunami von 2011 in den Film eingefügt wurden, da sie wenig zur Handlung beitragen.

    Karata und Higashide tun ihr Bestes mit dem Material, vor allem Higashide als narzisstischer Bad Boy und gutmütiger Büroangestellter. Aber ihre Charaktere gehen nicht richtig auf, wirken zeitweise sogar banal. Baku wird die beiden kurzen Male in denen er zu sehen ist, zu schnell und einfach abgefertigt um wirklich ein legitimer Spieler im Roulette der Liebe zu sein, Ryoheis Figur steht vor der unmöglichen Aufgabe einerseits anziehend zu wirken, aber auch die brave angepasste Version seines Alter Egos zu sein. Asako ist hingegen mit noch weniger Persönlichkeit ausgestattet, ihre Charakterisierung verläuft entlang der Linie, wen sie wann genau eigentlich anhimmelt.

    Wer sich für die Liebesbanalitäten ohne tiefere Botschaft begeistern kann, wird von dem Film sicher gut unterhalten. Ansonsten ist es eine vergebene Chance für die schichtenweise Bloßlegung von romantischer Obsession und mysteriösem Gestaltenwandeln. Ein Film, der außerhalb des Festivalzirkus wohl auf wenig Interesse stoßen wird.
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    (Susanne Gottlieb)
    06.11.2018
    13:26 Uhr
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