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    Verschachtelte Poesie über das Menschsein

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Es ist ein seltenes Phänomen, dass Science Fiction sich weniger um die unendlichen Weiten des Alls dreht sondern introspektiv um die essentielle Frage was Mensch sein bedeutet. Der Mikrokosmus, den die einengenden vier Wände der Raumstation in „High Life“ bilden, auf der sich eine Gruppe Schwerverbrecher auf einer Reise durchs Weltall befinden, liefert die nahrhafte Vorlage für eine Geschichte die einerseits klaustrophobisch, brutal und sexuell aufgeheizt ist, andererseits auch zarte Emotionen schürt.

    Ellipsenhaft und szenenweise verschachtelt erzählt Regisseurin Claire Denis von einer Gruppe junger Menschen, die auf der Erde zum Tode verurteilt wurden und um ihre Strafe vorzeitig abzusitzen ins Weltall reisen sollen, um an schwarzen Löchern alternative Energien zu erforschen. Unter ihnen befindet sich auch Monte (Robert Pattinson), ein verschwiegener Einzelgänger, der sich zu Beginn des Film alleine mit einem Baby auf der Raumstation befindet. Ihr Alltag besteht darin die Raumstation vor dem Abschalten zu bewahren und sich gegenseitig Gesellschaft zu leisten. Dass Monte nicht der einzige Mensch auf der Raumstation war, erklärt sich ziemlich schnell dadurch, dass er die Leichen seiner ehemaligen Crewmitglieder durch eine Luke in den Weltraum hinausbefördert.

    In Rückblenden wird klar, dass die Figuren eine Reise ohne Wiederkehr angetreten haben. Das Schiff, dass sich wie ein Frachtcontainer lautlos und einsam durch die schwarze Masse schiebt, ist nicht die große Hoffnung der Menschheit, sondern ihr unweigerliches Grab. Die Lethargie macht sich nach einer Weile in der Gruppe breit, die Antriebslosigkeit und die unterschwellige Gewalt. Die Autorität der Mission scheint auch nicht beim Kapitän zu liegen, sondern bei der mysteriösen inhaftierten Dibs (Juliette Binoche), einer Ärztin, die ihre Mitgefangenen zu ihren Versuchskaninchen erklärt.

    Ihre Mission, inmitten dieses außerirdischen Niemandslandes das perfekte menschliche Wesen zu kreieren, injiziert eine Reihe freiwilliger und unfreiwilliger Versuchsreihen der künstlichen Schwangerschaft. Denis sieht die Essenz ihrer Geschichte somit weniger in Tech-Speak sondern in den simplen humanen Elementen von Sperma und sonstigen Körperflüssigkeiten. Besonders hat es Dibs dabei auf Monte, der als einziger kein Sperma spendet, und Boyse (Mia Goth) abgesehen und langsam scheint sich zu erschließen, wer die Eltern des kleinen Mädchens zu Beginn des Filmes sind.

    Doch das ist bei weitem noch nicht alles. Während manche sich ihrem Schicksal auf dem Schiff ergeben haben und in eine lebensmüde Lethargie verfallen, die passenderweise in den erdigen Gründen des Glashauses enden, leben andere ihre steigenden Aggressionen in einer sogenannten „Fuckbox“ aus. Die Montage, in der Binoche einen befellten Sitzbock mit automatischem Dildo reitet ist einer der beeindruckendsten Sexszenen in Jahren. So wie sich die Gruppe langsam zu dezimieren beginnt, so verfällt auch das Schiff immer mehr.

    Das Unterfangen ist symbolisch für die Konflikte zwischen den Menschen, das Streben nach einer höheren Existenz und seiner erdverbundenen Gegenseite und des verloren sein nicht nur im Kosmos, sondern auch in den unendlichen Weiten seiner eigenen Persönlichkeit.
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    (Susanne Gottlieb)
    02.11.2018
    21:08 Uhr
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