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    Ein Engel auf Diebestour

    Exklusiv für Uncut von der ViENNALE
    Beim Abschlussfilm der Viennale 2018 handelt es sich um Argentiniens Oscarkandidaten für den besten ausländischen Film 2019. Regisseur Luis Ortega ließ sich hierfür von der wahren Lebensgeschichte Carlos Robledo Puchs inspirieren, einem Serienmörder, der Anfang der 70er-Jahren in Argentinien sein Unwesen trieb. Produziert wurde „El ángel“ von Kultregisseur Pedro Almodóvar und dessen Bruder Agustín.

    Buenos Aires im Jahr 1971: Carlitos (Lorenzo Ferro) ist siebzehn Jahre alt und hat eine besondere Leidenschaft für Einbrüche und Diebstähle entwickelt. Als er auf Ramón (Chino Darin) trifft, dessen Familie sich mithilfe illegaler Geschäften über Wasser hält, findet er das erste Mal in seinem Leben Anschluss unter Gleichgesinnten. Doch während er mit Ramón immer häufiger auf Diebestouren geht, macht sich Carlitos Mutter (Cecilia Roth) immer größere Sorgen um das Wohlbefinden ihres Sohnes.

    Die Figur des Carlitos wird wahrlich als „Engel“ inszeniert: die blonden Locken, der Schmollmund, die runden Pausbacken. Doch je stärker er der äußerlichen Vorstellung eines Engels gleicht, desto gegensätzlicher erscheinen seine charakterlichen Züge. So schreckt er weder vor Raub noch vor Mord zurück, solange es zu seinem eigenen Vorteil ist. Ortega scheint sich sehr auf die Inszenierung des Protagonisten fokussiert zu haben: er tanzt, er schreit, er ist der Mittelpunkt jeder Szene - wobei diese Personendarstellung dann auch schnell überzeichnend wirken kann. Lorenzo Ferro versucht zwar, eine facettenreiche schauspielerische Leistung abzuliefern, wirkt aber leider die meiste Zeit wie ein pubertierendes Kind auf Ecstasy.

    Geschuldet ist das aber auch dem eher seichten Drehbuch. Die Ausgangssituation erscheint zwar vielversprechend, die Dialoge sind teilweise ganz witzig, gehen allerdings nie wirklich in die Tiefe. Auch die Narration wirkt deshalb eher ungeordnet und nicht sehr flüssig. Stellenweise erscheint der Film dann auch langatmig, allerdings kann Ortega immerhin mit einem guten Einstieg in die Handlung punkten, bei dem eine Tanznummer im Mittelpunkt steht.

    Wo wir auch schon bei den Vorzügen von „El ángel“ wären: der Mise en Scène und der Musik. Vor allem die Farb- und Bildkompositionen im 70er-Jahre Flair stechen ins Auge. Ebenso der Einsatz von Musik, vor allem dann, wenn Carlitos während seiner Diebestouren in spontane Tanznummern verfällt.

    Alles in allem ist „El ángel“ sicherlich kein künstlerisches Meisterwerk - aber schön anzusehen ist es dennoch. Er wirkt wie ein um Coolness bemühter Actionthriller, der immer wieder humorvolle Momente einstreut, wobei nur mancher Witz auch zündet. Was schade ist, denn es scheint, als hätte man es hier mit reichlich vergeudetem Potenzial zu tun.