Filmkritik zu Mandy

Bilder: Thim Filmverleih Fotos: Thim Filmverleih
  • Bewertung

    Abgedrehter Rachefilm im Drogenrausch

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    In einer Welt, in der Nicolas Cages Gesichtsgymnastik zum Running Gag jedes Films wird, muss schon etwas sehr verrücktes daherkommen um seiner Mimik den Rang abzulaufen. Geglückt ist das nun dem kanadisch-italienischen Regisseur Panos Cosmatos mit seinem Spielfilm „Mandy“, in dem Cage zum Racheengel an den Mördern seiner titelgebenden Freundin mutiert. Der bizarre Actionhorror, der irgendwo zwischen kosmischen LSD-Trip und klassischen Trashfilm transzendiert, macht in der Hinsicht auch alles richtig und gibt Cages wilden Blick genau jenes Ventil, das er anscheinend ab und an braucht.

    Dabei ist sein Red Miller weder der aalglatte Held noch der gebrochene Antiheld, den er so gerne gibt, sondern ein einfacher Holzfäller, der mit seiner Freundin Mandy (Andrea Riseborough) irgendwo in den Tiefen der Shadow Mountains, einem bewaldeten Areal im Süden Kaliforniens, ein Eremitenleben aufgebaut hat. Mandy, die von Kindheitstraumen gebeutelt ist, arbeitet tagsüber als Kassiererin in einem Schnellsupermarkt, abends lässt sie ihrer kreativen Ader den Lauf und zeichnet abstrakte Fantasy- und Cosmic-Art-Bilder. Die Welten, die sie auf dem Papier erschafft überlagern sich im Laufe des Films noch mit den immer abstruseren Settings durch die sich Red bewegen muss, mit ihren übergroßen Monden, gerifften Felsen und fast bleistiftkörnigen Look. Cosmatos kehrt hier zu altbekannten zurück, bereits in seinem Debüt „Beyond the Black Rainbow“ schuf er eine fremdländische Welt in blutigen Farbtönen und kosmisch-übernatürlichen Umgebungen.

    Die Idylle des Paars wird durch das Auftauchen einer religiösen Sekte, der „Children of the New Dawn“ zerstört. Deren Anführer Jeremiah Sand (Linus Roache), ein narzisstischer Jesusfreak, glaubt höchstpersönlich von Gott beauftragt worden zu sein, sich alles nehmen zu können was er begehrt. Als er eines Tages Mandy an dem Wohnmobil seiner Sekte vorbeispazieren sieht, ist er sofort überwältigt von der mysteriösen Frau mit den riesigen Pupillen, dem Black-Sabbath-Shirt und dem Schneewittchen-Look. Er beauftragt seine Anhänger ihm die Frau zu besorgen, denn: „Wenn du nicht auf meiner Seite bist, wirst du nicht in den Himmel aufsteigen können“.

    Um den schrägen Ton des Films gerecht zu werden steigen seine Jünger auch nicht wahllos in das Domizil von Red und Mandy ein, sie rufen eine dämonische Motorradgang herbei, deren Mitglieder optisch irgendwo zwischen Gilliamschen Rittern, Lagunen-Seemonstern, Star-Trek-Aliens und Mad-Max-Masken variieren, und sich aufgepepptes LSD und Koks reinziehen. Nachdem die Gang Red außer Gefecht gesetzt hat und Mandy unter Drogen Jeremiah vorsetzt wird, geht jedoch alles schief. Jeremiah, ein, um hier nicht die Parallelen zu Charles Manson versiegen zu lassen, gescheiterter Musiker, will sie mit seiner Musik und seiner Libido verführen, sie lacht ihn aus. Die Rache an seinem verletzten Ego ist kurz und hart. Der Kult verbrennt sie vor den Augen des gefesselten Reds.

    Was danach folgt ist ein Rachefeldzug erster Güte. Die Children sind naiv genug Red am Leben zu lassen. Der kann sich befreien und liefert sich in feinster Cage-Manier erst einmal einen emotionalen Heul- und Schreianfall in Unterwäsche und mit der Wodkaflasche im Badezimmer. Doch für lange Trauerepisoden ist keine Zeit und der Racheengel, heimgesucht von Visionen seiner toten Freundin in ihren Bilderwelten, rüstet auf um die Children und die Motoradgang zu jagen und zur Rechenschaft zu ziehen. Mit Armbrust und selbst geschmiedeter Axt aber auch in spektakulären Motorsägen-Fights umarmt der Film liebevoll seine eigene Absurdität, zelebriert in einer Symbiose aus Gewalt und Sexualität den brutalen Fetisch, den er auf die Spitze treibt. Hier gibt es maschinelle Erektionen und Köpfe werden abgeschlagen wenn im Hintergrund der Porno läuft. Sektenmitglieder werden oral niedergestochen und das Töten selber von fast Orgasmus ähnlichem Stöhnen begleitet.

    Untermalt wird das Gemetzel stets von Jóhann Jóhannssons letztem Score. Der Synth-Komponist, der schon für seine außerweltlichen Soundtracks für Filme wie „Arrival“ bekannt wurde, schöpft hier nochmals aus den Vollen und würde sogar Synth-Götter der 80er wie etwa Vangelis oder Howard Shore stolz machen. „When I die, bury me deep, lay two speakers at my feet, put some headphones on my head and rock and roll me when I’m dead,” erklärte der zu Tode verurteilte Kidnapper und Mörder Douglas Roberts vor seiner Hinrichtung 2005 und es ist dieses Zitat, dass Cosmatos seinem Film voranstellt. Gewalt, Orgie und Musik laufen bei ihm dicht zusammen und er versteht es sie in einem dicht bebilderten überdrehten Rausch zu vereinen, der den Zuschauer bis zum letzten Moment in seinem skurrilen Universum zu fesseln vermag.
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    (Susanne Gottlieb)
    20.09.2018
    11:38 Uhr
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