Filmkritik zu St. Agatha

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  • Bewertung

    Effektiver Kloster-Schocker mit Hang zur Sünde

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Das sogenannte Nunsploitation-Genre - ein Subgenre des Exploitationfilms, das sich Nonnen und Klostern widmete - feierte in den 70er-Jahren seinen Höhepunkt und zeigte sich vor allem in den Hinterhof-Kinos Europas großer Beliebtheit. 40 Jahre später ist die Genre-Abspaltung schon fast in Vergessenheit geraten, obwohl der finanzielle Erfolg des (qualitativ misslungenen) Schockers „The Nun” einen guten Anhaltspunkt für ein Revival bieten würde. An einer ebensolchen Wiederbelebung der Nunsploitation hat sich Regisseur Darren Lynn Bousman mit seinem neusten Werk „St. Agatha” versucht. Bousman hat sich in erster Linie als Kopf hinter drei Fortsetzungen der „Saw"-Reihe (2-4) und dem kultverdächtigen Horror-Musical „Repo! The Genetic Opera” einen Namen als Filmemacher gemacht. Und obwohl Bousman in seinem Nunsploitation-Revival das ein oder andere Mal zu oft gesündigt hat, macht das Ding auch einiges richtig und kann qualitativ auf jeden Fall schon mal in sämtlichen Belangen mehr überzeugen als ein gewisser Nonnen-Schocker der Marke „Conjuring".

    Worum geht's also?

    Der Plot des Films ist während der 50er-Jahre in einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat Georgia angesetzt. Eine junge Dame namens Mary (Sabrina Kern) sucht nach der Trennung von ihrem Freund während der Schwangschaft Zuflucht in einem Kloster, das sie zuvor von einer Geistlichen vorgeschlagen bekommen hatte. Was zunächst wie ein sicherer Ort wirkt, um ihr Kind zu gebären, entpuppt sich schon bald als gefährliche Lokalität voller düsterer Geheimnisse. Dort angekommen wird Mary der neue Name Agatha zugewiesen und schon bald bemerkt sie, dass es die Mutter Oberin (Carolyn Hennesy) offenbar auf ihr ungeborenes Baby abgesehen hat. Langsam aber sicher wird Agatha dort von ihrer Umwelt abgeschottet und bekommt für jeden minimalsten Regelverstoß eine gnadenlose Bestrafung.

    Am stärksten ist „St. Agatha” tatsächlich, wenn sich das Drehbuch auf das Geschehen innerhalb des Klosters fokussiert. Während im absoluten Großteil an Exorzismus-Horrorfilmen die Kirche beziehungsweise christliche Mitarbeiter als Rettung für die von Dämonen befallenen Figuren dienen, kehrte Bousman diese Genre-Konvention für seinen Schocker um und macht den vermeintlich heiligen Zufluchtsort zur wahrhaftigen Hölle auf Erden. Dieses frisch daherkommende Konzept funktioniert über weite Strecken hinweg und erzeugt in seinen härtesten Momenten - wie beispielsweise eine Sequenz, in der die Protagonistin bei lebendigem Leibe in einen Sarg eingemauert wird - sogar regelrechten Terror. Bousman setzt für die Schock-Momente im Film weitestgehend auf fein inszenierten Retro-Horror mit passend düsterer Farbpalette statt auf eine Überzahl an Jumpscares. Zusätzliche Antriebskraft bekommt der Film zudem von Mark Sayfritzs schaurigen Soundtrack verliehen, der einen durch orchestrale Klänge und leise Chor-Wiederholungen des Namen „Agatha” das Blut in den Adern gefrieren lässt.

    Auf schauspielerischer Ebene variiert der Film sehr stark. Zwar blüht Carolyn Hennesy bei der Verkörperung der sinistren Mutter Oberin regelrecht auf, Hauptdarstellerin Sabrina Kern kann dieser jedoch nicht im Ansatz das Wasser reichen und driftet besonders in den brutaleren Momenten oft ins Overacting ab.

    Nun aber zur größten Schwäche des Films: die Flashbacks. Um die Beweggründe für Marys Einzug in das Kloster und den Hintergrund ihrer Schwangerschaft zu erläutern, hat man eine zweite Erzählebene kreiert, auf derer in Form längerer Rückblenden die Vergangenheit Marys veranschaulicht wird. Diese hässlich gefilmten Szenen hätten zur Gänze durch expositionslastige Dialoge innerhalb der Haupthandlungsebene ersetzt werden können, anstatt sie visualiert zu bekommen. Leider wirken die Charakterinteraktionen innerhalb der Flasbacks zumeist aufgesetzt und der Versuch dem Film hiermit einen emotionalen Kern zu geben, scheitert durch reichlich Pathos kläglich. Allgemein tritt der Film auch auf der primären Handlungsebene gegen Ende in das ein oder andere narrative Fettnäpfchen, was sichtbar werden lässt, dass das ideenüberladene Skript von vier Personen geschrieben wurde.

    Fazit: Auch wenn Darren Lynn Bousmans Nunsploitation-Auferstehung „St. Agatha” definitiv einige Sünden hätte ablegen sollen, bietet der Streifen in vielen Szenen wirksame wie auch spaßige Schock-Momente. Wer weit besseren Nonnen-Horror sehen will als das „Conjuring"-Sakrileg „The Nun” ist hier an der richtigen Adresse - für einen wirklich guten Film reicht das Gebotene dann aber schlussendlich auch nicht aus.
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    (Christian Pogatetz)
    24.09.2018
    19:15 Uhr