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    Cinderella mal anders

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Giambattista Basiles Fabel „Cenerentola“, im deutschsprachigen Raum als Cinderella bekannt, zählt zu den populärsten und meistverfilmten Märchen überhaupt. Dennoch erscheinen jährlich zahlreiche Neubearbeitungen des literarischen Urstoffes, so unter anderem auch der Animationsfilm „Cinderella the Cat“ von Alessandro Rak (The Art of Happiness), Ivan Cappiello, Marino Guarnieri und Dario Sansone. Wer nun an die kitschige Disneyversion des Märchens denkt irrt allerdings gewaltig, denn der neapolitanische Neo-Noir-Animationsfilm versetzt die Handlung in ein langsam verfallendes Neapel der nahen Zukunft, in der die Camorra die Führung über die Stadt übernommen hat.

    Mia lebt gemeinsam mit ihrem Vater Vittorio Basile auf dessen Forschungsschiff „Megaride“, wo er hauptsächlich daran arbeitet sämtliche Geschehnisse und Personen an Bord in Form von Hologrammen abzuspeichern. Am Tag seiner Hochzeit mit der schönen Angelica, die fünf Töchter und einen Sohn in die Ehe mitbringt, fällt Basile einen hinterlistigen Mordanschlag zum Opfer, der die kleine Mia zur Alleinerbin seines Vermögens vermacht. Der Plan von Angelica und dem schmierigen Schiffsanimateuren Salvatore Lo Giusto, geheimer Geliebter Angelicas und verwegener Drogenhändler, das Erbe Basiles für sich zu beanspruchen scheint aufzugehen, denn Mia fällt nun unter die Obhut Angelicas, wo sie die nächsten 15 Jahre schwer unter den Launen von Angelica und ihren sechs Kindern zu leiden hat. Auf Grund ihrer Angewohnheit sich in den Lüftungsschächten zu verkriechen, wird die verstummte Mia nun spöttisch Gatta Cenerentola (Cinderella the Cat) genannt, das Schiff wurde mittlerweile von der Mutter in ein Bordell umgewandelt, indem sie ihre Töchter arbeiten lässt. Kurz vor Mias 18. Geburtstag infiltriert der ehemalige Bodyguard von Mias Vater, Primo Gemito, mittlerweile Polizist, das Schiff, um dort nicht nur die kriminellen Machenschaften aufzudecken, sondern auch um Mia aus ihrer Misere zu befreien. Doch die Rückkehr des mittlerweile hoch in der Drogenszene aufgestiegenen Salvatore Lo Giusto, der seine ganz eigenen Pläne für Mia hat, gefährden sein Vorhaben.

    Der einzigartige 3D-Animationsstil, der an ältere Videospiele erinnern lässt und für so manches Auge erst etwas sperrig wirken mag, schafft eine unvergleichlich melancholische Atmosphäre, die gespensterartigen Hologramme, die immer wieder durchs Bild huschen, sowie die überaus detailreichen Szenenbilder, unterstreichen die Gesamtstimmung des Films dabei maßgeblich. Das fast schon an Steampunk anmutende Setting des heruntergekommenen Neapels, indem es andauernd düster zu sein scheint und ein ununterbrochener Ascheregen des Vesuvs die Häupter der Bewohner bedeckt, scheint beinahe als wäre der vollkommene Untergang der Stadt nicht mehr weit entfernt.

    Unterstrichen wird diese Optik von zahlreichen Gesangseinlagen, die mal als fröhliche Trinklieder, mal als schwermütige Liebeslieder, auf der Schiffsbühne zum Besten gegeben werden und doch immer wieder auf die Verdorbenheit der Stadt (Neapel ist eine verrottende Kartoffel) Bezug nehmen.

    Rein narrativ gesehen bleibt die Konstruktion des Märchenstoffs, in der die passive Titelheldin von einem Prinz aus ihrem Elend befreit werden muss, in ihrer ursprünglichen, etwas chauvinistischen Grundhaltung, überspitzt die Charaktere sogar noch, indem sämtliche Frauenfiguren übersexualisiert und den Männern unterlegen dargestellt werden.

    Fazit: Als Anti-These zu Disneys Cinderella bildet „Cinderella the Cat“ ein einzigartiges visuelles Erlebnis, und schafft es auf originelle Weise eine längst ausgelaugte Erzählung neu zu interpretieren.
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    (Julia Pogatetz)
    30.09.2018
    12:51 Uhr