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  • Bewertung

    Bodyhorror in intensivem Kammerspiel

    Exklusiv für Uncut vom Slash Filmfestival
    Weihnachten mit der Familie kann sich tendenziell wie ein Gefängnis anfühlen, was aber wenn das Haus wirklich abgeschottet ist und es kein Entkommen gibt? In Johnny Kevorkians zweitem Spielfilm „Await Further Instructions“ wird eine englische Kleinstadtfamilie am Weihnachtsmorgen mit der Tatsache konfrontiert, dass sie ihr Haus nicht mehr verlassen können. Rund um die Frage was dahinterstecken könnte, entfaltet sich langsam ein intensives Kammerspiel, in dem Ideologie, Rassismus und Autoritätshörigkeit die entscheidenden Akzente setzen.

    Auslöser für die bereits im Vorfeld aufgeheizte Stimmung ist der Besuch des Sohns der Familie, Nick (Sam Gittins), und seiner Freundin Annji (Neerja Naik), einer Jungärztin indischer Abstammung. Nick hat seine Familie seit Jahren nicht gesehen, vor allem mit dem Vater scheint es Spannungen zu geben. Nachdem die Verwandtschaft sie aber zunächst freundlich empfängt, beschließen die beiden über Nacht zu bleiben. Doch bereits beim Abendessen brechen die ersten Fassaden nieder. Auf einen Fernsehbericht über Terroranschläge reagiert der Großvater (David Bradley) mit einem dahingeschnauzten „Die ströme auch nur so herein“. Nicks Schwester Kate (Holly Weston) bittet Annji wiederholt den Gebrauch von „diesen indischen Wörtern“ zu unterlassen, die sich beim Nachschlagen aber alle im englischen Wörterbuch finden.

    Kevorkian, der selbst zypriotischer-rumänischer Abstammung ist, erzählt hier offensichtlich aus dem Nähkästchen, was subtil-aggressiven Rassismus in Großbritannien betrifft. Nick und Annji wollen sich diese konstanten Seitenhiebe auch nicht auf Dauer antun und beschließen am nächsten Tag wieder abreisen. Doch etwas passiert mit der Nachbarschaft in der Nacht, es gibt ein Rumsen und Rütteln, die Uhren bleiben stehen und in der Früh befindet sich plötzlich eine schwarze, teerartige, undurchdringliche Masse über das ganze Haus verteilt, die die ganze Familie darinnen festhaltet. Doch das ist nicht alles. Während jegliche Telefon- und Internetverbindungen gekappt sind, stehen am Fernseher senderübergreifend giftgrüne Worte: „Bleibt im Haus und wartet auf weitere Anweisungen“.

    Die Familienmitglieder, zunächst in Schock, beginnen sich mit der mysteriösen Einkesselung und der Botschaft sehr unterschiedlich zu arrangieren. Entgegen Nick und Annji, die sich misstrauisch der Situation nähern und jede Fernsehanweisung anfechten, stürzt sich Vater Tony (Grant Masters) ohne mit der Wimper zu zucken in die Vorgaben. „Es ist die Regierung, es gab eine Katastrophe, es geht um unsere Sicherheit“, ist für ihn sofort klar. Anfechtungen seiner Autorität und jener des TVs werden sofort vergolten. Und so wie die Anweisungen immer brutaler und unmoralischer werden, so ungezügelter und unreflektierter wird die Gewalt innerhalb der Familie diese umzusetzen. Der Film erweitert seine Showcase von Kleingeistigkeit somit um toxische Maskulinität und Autoritätshörigkeit.

    Diese wurde offensichtlich von Großvater auf Vater weitergereicht, traumatische Kindheitserinnerungen wechseln sich mit Drohungen ab. „Untergrabe nie wieder meine Autorität“, herrscht der Jüngere den Älteren an. Als der Großvater nach der Umsetzung einer weiteren Anweisung stirbt, wird das mit der Aussage quittiert, dass es immer Opfer geben würde. Am anderen Spektrum steht Kates Ehemann Scott (Kris Saddler), dessen Männlichkeit und Beschützerfunktion von ihr selber und von Tony immer wieder angezweifelt werden, wenn er sich nicht dem Schwiegervater beugt.

    So sehr der Vater auch an seiner Regierungsidee festhängt, die Hinweise erschließen langsam dass hier ganz andere Kräfte am Werk sind. Sonderbare Rohre führen in die Zimmer, der Fernseher flackert immer wieder in unbeobachteten Momenten mit „Ich sehe euch“ auf, und als Annji beginnt den kleineren Fernseher auseinanderzubauen macht sich eine grausame Entdeckung.

    Jedes Mal, wenn die Eingeschlossenen versuchen hinter das Geheimnis der schwarzen Wand zu kommen, schlägt die schwarze Wand in bester Cronenberg-Manier zurück. Body Horror, Verstümmelung, pränataler Grusel und TV-Fetisch projizieren alte „Videodrome“-Vergleiche hoch, mit jeder grausamen Anordnung des Fernsehers weichen die satten warmen Weihnachtsfarben aus dem Bild und werden durch grün-schwarz getünchte Lichter und Schatten ersetzt. Gegen Ende ist die Sättigung komplett aus der Leinwand herausgesaugt und das Setting hat sich in eine graue apokalyptische Endzeitzone verwandelt.

    Die Invasion des Fremden, vor der sich die Familie so fürchtet, kommt, wenn auch auf andere Art als vielleicht erwartet. Kevorkian gelingt geschickt der Spagat zwischen einer entlarvenden gesellschaftlichen Blaupause und Grusel der alten Schule. Was bedrückender ist, der zwischenmenschliche Horror oder jener, der von außen versucht einzudringen, diese Entscheidung überlässt er letztendlich dem Zuschauer.
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    (Susanne Gottlieb)
    26.09.2018
    17:05 Uhr
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